Full text: Natur und Gott

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Die Welt der heutigen Physik in religiöser Beleuchtung. 575 
aus dem heraus einst die Götter, die Ordner und Walter der Welt, 
entstanden. 
Nichts ist für die Ausbildung religiösen Sinnes abträglicher, als ein 
materialistisches Zeitalter, in dem die brutalen Masseninstinkte selbst— 
süchtigen Lebensgenusses durch die Handgreiflichkeit der Sinnenwelt und 
den Appell an die Selbstverständlichkeit der Unvernunft eine quasi— 
wissenschaftliche Kechtfertigung erhalten. Dagegen gibt es wohl kaum 
einen großen Forscher — auch Ernst häckel bildet keine Ausnahme — 
dem diese Genügsamkeit der Trivialität möglich wäre. Unsere Heutigen 
aber haben so tiefe neue Einsichten gewonnen, daß sie von Bewunderung 
und Ehrfurcht für das große Geheimnis der Natur erfüllt sind. „Die 
Welt ist tief, und tiefer, als der Tag gedacht“, dies Wort Nietzsches 
charakterisiert die heutige Geisteshaltung unserer Phnsiker; es kenn— 
zeichnet aber zugleich die Situation, in der allezeit Keligion zu sprießen 
heginnt; eine Welt der Selbstverständlichkeit ist ihr Tod; eine Welt voll 
erkannter Wunder, die noch größere Wunder verheißen, eine lichte und 
doch geheimnisvolle Welt ist's, wo notwendig des Menschen Innerstes 
beginnt, in Schwingungen zu geraten. 
CLange schon sind die physikalischen Wissenschaften auf dem Wege, 
sich von der Selbstverständlichkeit des sinnlichen Cindrucks zu entfernen, 
aber heute hat sich ein Bruch mit den Grundvoraussetzungen des naiven 
Denkens vollzogen, der dem des Kopernikanismus durchaus gleichkommt. 
Als feste Grundlage alles Seins gelten die ewig unveränderlichen Stoffe 
mit ihrer Wechselwirkung in Raum und Zeit. Aber die herkömmliche, 
wesentlich auf dem Standpunkt der Naivität verbliebene Auffassung der 
Physiker von Raum und Zeit ist durch Cinsteins genialen Kelativismus, 
der so weitgehende Fortschritte erzielt hat, aufs schwerste erschüttert 
worden. Der Stoff ist aus einem sicher Greifbaren, für jedermann Ver— 
tändlichen zu etwas sehr Kompliziertem und Rätselhaftem geworden. 
Anstelle einheitlicher, in sich zusammenhängender Körper sind schon 
längst (und es gilt das selbst von den festesten und scheinbar undurch— 
dringlichen Metallen) poröse, schwammartige, aus Molekeln bestehende 
Derbände getreten; jedes Molekül, jedes in ihm enthaltene Atom bildet 
eine Einhelt und besteht isoliert für sich im Raume, ja das Etom selbst 
löst sich in einen Verband von frei im Raume um einen Kern schwe— 
benden Elektronen auf. Die Energie des Eleklrons sowie seine Masse 
läßt sich messen, aber diese Masse bleibt sich nicht gleich, sondern ver— 
ändert sich mit ihrer Bewegung. Auch der Kern ist (positiv) elektrisch, 
sonst in seinem Wesen noch fast völlig unbekannt. Man weiß, daß das 
Atom eine Energiegröße ist, die sich aus elektromagnetischer und Gravi—
	        
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