Full text: Natur und Gott

616 Der religiöse Wert des naturwissenschaftlichen Weltbildes. 
oder des Vogels unverkennbar ist, macht hier einen grundlegenden 
Unterschied. Gewiß sind die in der Ontogenese wirkenden Potenzen für 
uns nicht wahrnehmbar, aber ohne eine gesetzmäßig bestimmte Akti— 
vität der bildenden Prozesse sind die Bildungsvorgänge unverständlich 
und eine solche ist auch bereits beobachtet worden“s). Daraus folgt zwar 
keineswegs, daß wir dem Organischen als solchem eine psychische Qua— 
lität beilegen müßten; im Gegenteil scheint mir eine solche Annahme 
da, wo sie noch entbehrlich ist, die Reinheit der biologischen Methoden 
zu gefährden. Aber allerdings erfordern die Tatsachen die Anerkennung 
einer weitreichenden Analogie zwischen den Betätigungen des Orga— 
nischen und den Instinkthandlungen der Tiere. Wie weit die Analogie 
geht, darüber kann nur in jedem einzelnen Falle sorgfältige Beobach— 
tung entscheiden, aber jedenfalls reicht sie so weit, daß sie als ein heuri— 
stisches Prinzip ersten Ranges gelten muß. 
Versuchen wir diese Analogie in ihre hauptbestandteile zu 
zerlegen. Ein überaus wichtiges Moment, wodurch die ganze Sphäre 
von dem intellektuellen Leben unterschieden bleibt, ist die Absichtslosig— 
keit der Handlung. Im bewußten Leben des Menschen (wie auch höherer 
Tiere) vermag die Zielvorstellung zur Ursache zu werden; sie würde 
den realen Kausalzusammenhang zerstören, wenn sie nicht selbst durch 
ihn kausiert wäre. In dem Bereiche, den wir jetzt untersuchen, fällt 
diese ganze Komplikation weg, weil eine Absicht nicht besteht, ein Ziel 
nicht gewußt wird; Zielstrebigkeit kann es hier nicht geben; sie ist be— 
rechtigt als Urteilsform eines reflektierenden Beobachters, der den end— 
lichen Erfolg bereits kennt; eventuell kann man sie auch gelten lassen 
als menschliche, allzu menschliche Form für ein schöpferisches Wirken, das 
die Anfangsreihe so bestimmt, daß das Ziel im Naturlauf notwendig er— 
reicht wird. Aber für die biologische Forschung kommt dies alles nicht 
in Betracht; sie untersucht den realen Kausalzusammenhang, in dem die 
Cebenserscheinungen entstehen, und hier hat Zielstrebigkeit, Bestimmung 
des kausalen Verlaufs durch eine Ziel vorstellung keinen Platz; wie 
bei den Instinkthandlungen, so und erst recht beim organischen Wirken 
der Natur gibt es nichts als einfache wirkende Ursachen in unermeß— 
licher Fülle. Eine Ursache von sehr eigner Art ist unzweifelhaft der 
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lichen Charakter auf wie die psychischen Begriffe und Ideen (a. a. O. S. 72). 
Die Summe der phnsiologisch-⸗wirksamen und der gestaltbildenden Komplexe des 
Organismus (die übrigens stets sich zum Ganzen „integriert') nennt B. seine 
Psychoide, die übrigens mit dem analogen Begriffe von Driesch nicht identifiziert 
werden soll. 
48) Oben s. 200.
	        
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