Full text: Natur und Gott

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Die Analogie der organischen Ursächlichkeit mit der seelischen. 617 
Organismus und jeder seiner Bestandteile bis zur einzelnen Zelle herab; 
aber soweit wir ihn überhaupt zu erfassen vermögen, werden wir ihn 
als Ursache, als wirkende Kraft zu verstehen haben. Zwar ist er in seiner 
derzeitigen Form auch Wirkung, aber selbst die Wirkungen sind, wie 
seine Reizbarkeit zeigt, durch seine schon gegebene bzw. ihm ursprüngliche 
Art in hohem Maße bestimmt. In gewissem Sinne gilt das, wie wir 
sahen, von jedem Atom, das in gewissen Elektronen Aktivitätsorgane 
hat und durch ihre Vermittlung auch Einwirkungen erfahren kann. Aber 
gegenüber der Trägheit, die vielfach die uns sichtbare Materie aus— 
zeichnet, ist die Aktivität des Organismus eine hervorragende; obwohl 
er unzählige Atome in sich vereinigt, zeigt er doch gleiche oder größere 
Lebendigkeit, als sie heute dem einzelnen Atom von der Theorie zuge— 
schrieben wird. 
Die Kausalität der Instinkthandlung ist von der phnysikalisch-chemi— 
schen nicht etwa dadurch unterschieden, daß sie Zweckursache ist; beide 
sind nichts als wirkende Ursachen, d. h. sie wirken durch nichts andres als 
alle real und gegenwärtig vorhandener Kräfte; aber sie behalten 
etwas Rätselhaftes, nicht so einfach in mathematisch formulierbare all— 
gemeine Gesetzmäßigkeiten Auflösbares, weil sie, ob auch meist durch 
äußere Umstände angeregt, offenbar irgendwie vererbten Gattungs— 
erfahrungen und -gewohnheiten entstammen, mithin Ausdruck einer be— 
sonderen Geschichte sind, Kealtion eines Individuums, das hier nichts 
als Repräsentant eines Geschlechts und seiner Lebensnotwendigkeiten ist. 
Unzweifelhaft besteht in dieser Beziehung volle Gleichheit zwischen der 
Instinkthandlung des Tieres und der Aufbautätigkeit der befruchteten 
Tizelle. Wie man auch über die Gültigkeit des „phylogenetischen Grund⸗ 
gesetzes“ urteilen möge, darüber ist sich die heutige Forschung einig, 
daß der aufbauenden Eizelle die Kichtung ihrer Tätigkeit durch die in 
ihr selbst niedergelegten Engramme“) vorgezeichnet ist, welche der Aus— 
druck der Vergangenheit und ihrer Geschichte sind. Es mag die Kufein— 
anderfolge der Epochen dieser Geschichte und ihrer organischen Erwer— 
hungen durch spätere Schichten überlagert und verwischt sein, es mag, 
was auf langen, verschlungenen Pfaden erreicht ward, in der Ontogenese 
auf kürzestem Wege verwirklicht werden, an der konstit utiven Be— 
deutungder Vergangenheitfürdie Gestaltung der Ver— 
erbungsphänomene läßt sich nicht zweifeln. Damit ist aber zu— 
gleich die Zusammengehörigkeit der organischen Tätigkeit mit dem Psy⸗ 
40) Man kann daher auch von „Gedächtnis“ des Organismus reden, wie 
neuerdings Bleuler, der den biologischen Sinn, den hier der Begriff gewinnt, 
genau umschreibt (a. a. O. S. 62).
	        
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