Full text: Natur und Gott

700 Naturerkenntnis u. Religion i. Lichte d. Erkenntnistheorie. 
es, daß diese sprachlichen Mittel als Vehikel der Keligion und der reli— 
giösen Erkenntnis funktionieren können. Beim nackten Wortsinn zu 
bleiben, macht diese Sprache durch ihre Vieldeutigkeitt und Unbestimmt— 
heit, nicht selten auch durch den bewußten Widersinn des Ausdrucks (die 
Paradoxie) unmöglich; so treibt sie unwillkürlich vom bloß Anschau— 
lichen hinweg und will über sich selbst hinaus in höhere Welten leiten. 
Diese symbolische Einkleidung der Glaubenssätze stellt sie in schar— 
fen Gegensatz zur logischen Begriffsbildung, die das Instrument der wis— 
senschaftlichen Arbeit bildet. Symbole sind nichts weniger als Begriffe, 
sind auch nie auf Begriffe völlig reduzierbar. Jedes echte Symbol ist an— 
schaulich; jede Anschauung aber bildet bereits etwas für den Begriff 
nicht restlos Auflösbares; vollends gilt das vom anschaulichen Symbol. 
Denn der Begriff will den Gegenstand mit voller Deutlichkeit und Be— 
stimmtheit umfassen; das Symbol aber meint mehr, als der Ausdruck ent— 
hält. Die Hegelsche Philosophie und die ihr folgende kritisch-spekulative 
Theologie meinte freilich diese Schwierigkeit überwinden zu können; sie 
wollte die konkreten aber symbolischen Glaubensvorstellungen in ab— 
strakte aber im eigentlichen Sinne zutreffende philosophische Begriffe 
aufheben. Dieser Versuch mußte an der Sache selbst scheitern; denn 
könnte Gottes Wesen restlos auf eine Formel gebracht werden, so hätte 
die Religion ihren intimsten Reiz verloren. In dem Augenblick, in dem 
Gott sich restlos begreifen läßt, hört er auf, Gott zu sein, hört auch die 
Religion auf, Religion zu sein, denn das Mysterium gehört zu ihrem 
Wesen. Daraus folgt, daß durch begriffliche Abstraktionen sich Gott nicht 
—VVV—— 
folgt zugleich, daß Widersprüche, die der zergliedernde und vergleichende 
Verstand in den religiösen Ausdrucksformen konstatiert, noch nichts gegen 
die Wahrheit der Sache selbst sagen, da jedes, auch das angemessenste 
Symbol, eben Symbol bleibt und nicht völlig die Sache decken kann; es 
fragt sich sehr ernstlich, ob nicht solche Widersprüche da, wo man sich 
entscheidet, ohne jede Abschwächung die Glaubensaussagen stehen zu las— 
sen, wie sie gemäß innerer Notwendigkeit lauten, unvermeidlich auf— 
treten. Sicher ist jedenfalls, daß nicht die Konsequenz und Zusamment— 
stimmung des Ausdrucks oberstes Gesetz der religiösen Erkenntnis sein 
darf, sondern vielmehr der eigentliche Sinn und zugrunde liegende Kern 
des Glaubenserlebnisses selbst. Bleibt Gott auch in seiner Offenbarung 
der über uns und unser Verständnis unendlich Erhabene, so folgt daraus 
zugleich, daß, an ihm und seinem heil bemessen, alle menschliche Erkennt— 
nis niemals fertig, sondern immer nur im Werden begriffen sein kann, daß 
sie also dauernd den Charakter des Bruchstücks behält und dieser ihrer un— 
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