Full text: Natur und Gott

58 Bedeutung der Natur für die Keligion. 
babylonischen Wettergott Adad darstelltes), der Urstier, den Mithras er— 
schlägt, oder die Kuh, die in altindischer wie in germanischer Mythologie 
als Urwesen und kosmogonische Potenz erscheint, weisen alle in die 
gleiche Kichtung. Aber auch in Afrika treffen wir Sonnenkühe und Kuh— 
verehrung. Der Rückblick auf die Erschaffung „der Kuh, des Wassers 
und der Pflanzen“ gibt dem alten Perser Zuversicht zum Gebet um Un— 
sterblichkeit und Vollkommenheit. Wendungen wie: „die Kuh, das Kecht 
und die Lichter“ oder „zwei Kühe und all sein Herzensbegehr“ lassen 
uns in das herz des iranischen Bauern tief hineinblicken. Analog ließe 
sich die Verehrung des Pferdes verfolgen. Bei der Katze scheint es 
sich nicht um die zahme Hauskatze, sondern um Wildkatzeso) und Ichneu⸗ 
mon zu handeln, die ähnlich wie Hund, Wiesel Falke, gelegentlich selbst 
Cöwe und Leopard sich dem Menschen als Jagdgenossen wertvoll ge⸗— 
macht haben mögen. Auch sie sind, wie z. B. der ägyptische Hymnus 
auf die Sonnenkatze 60) erweist, an den Himmel versetzt worden. 
Immerhin läßt sich nicht verkennen, daß die religionsgeschichtlichen 
Belege für eigentliche Tiergottheiten relativ selten sind. Tierver—⸗ 
ehrung im ausgesprochenen Sinne treffen wir nur da, wo ein entwickeltes 
Gottesbewußtsein überhaupt nicht vorhanden ist. Schon der Ersatz des 
Menschenopfers durch das Tieropfer, der überall mit beginnender Kultur 
sich durchsetzt, ist ein ausreichender Beweis für die steigende Wertung 
des Menschenlebens. Die heutigen „Primitiven“ sind meist halbzivili— 
sierte Stämme und als solche über die naive Gleichsetzung von Mensch 
und Tier hinausgewachsen. So scheint zwar in den von Preuß aus dem 
Munde der CEingeborenen aufgenommenen mythischen Erzählungen der 
Uitoto die Grenzlinie zwischen Mensch und Tier völlig verwischt, aber 
für die Gegenwart gilt das nicht; die Erzähler bleiben sich dessen be— 
wußt, daß ihre redenden und zaubernden Tiere der Vergangenheit an— 
gehören; sie lassen die Bemerkung einfließen, daß diese Wesen eigent— 
lich Menschen sind oder daß gewisse Tiere keine Menschen sindu). Das 
eigenartig menschliche Bewußtsein ist allerdings noch schwach entwickeltss). 
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J.5 
38) Meißner, Grundzüge der babyl.assyr. Plastki, 1915, 8. 69. 
39) So Hehn. 
420) Brugsch, 5. d. M. G. 10, 683 (1856); zur Ergänzung vgl. den Lob— 
spruch auf den Hund. 
41) 3. B. 8,20: „Er ist ein Mensch und kein Vogel“; 17, 12 ff. legten die 
Tapire Felle an, „obwohl sie Menschen waren“; 13,55: „Wo bleibst du, Mahi⸗ 
lero (Dogel), der du ein Mensch bist!“ Umgekehrt heißt es Gesang 91 von den 
Schmetterlingen, 94 von der Fischotter, 96 vom hidima-Fisch, daß sie keine Men— 
schen sind. 
42) Ein krank Darniederliegender klagt: Ich bin eines Menschen Sohn
	        
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