Full text: Natur und Gott

746 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen. 
jenes höchste Wesen sie als real will. Der hiermit wiedergegebene Ge— 
danke des sog. „ontologischen“ und „kosmologischen“ Beweises für Gottes 
Dasein gibt zwar keine Demonstration nach Art der empirischen Wissen— 
schaft, spricht aber allerdings über die Welt das abschließende Urteil des 
Geistes aus, der auf Grund der monotheistischen Religion zu vollem Selbst— 
bewußtsein gelangt ist. 
2. der religiöse Weltbegriff. 
Das Verhältnis der wissenschaftlichen zur religiösen Erkenntnis weist 
zurück auf das Verhältnis von Gott und Welt und ruht auf diesem. Daß 
von einem Nebeneinander und einer Selbständigkeit dieser beiden Grö— 
ßen nicht die Rede sein kann, sahen wir bereits, und es ist unmittelbar 
einleuchtend. Wie könnte Gott absolut oder unendlich gedacht werden, 
wenn er das Endliche und Kelative neben sich hätte? Aber auch die 
Annahme mußten wir ablehnen, daß Gott der Urgrund sei, der sich 
restlos in der Entwicklung des Universums enthüllt, dem Keime gleich, 
woraus die Welt, wie die Pflanze aus dem Samen, hervorwächst. Unsere 
Ehrfurcht vor der erlösenden heiligen Liebe Gottes macht es uns un— 
möglich, ihn anders zu denken, als in Analogie zum persönlichen Willen, 
der die Welt in Freiheit schafft. Von vorherein müssen wir allerdings 
diesen Gedanken gegen Mißverständnis schützen. Nur prophetische In— 
spiration, verbunden mit klarem und natürlichem Denken, konnte aus den 
geringen Elementen semitischer Naturerkenntnis ein so wundervolles und 
lebendiges Bild der Schöpfung gewinnen, wie es uns das erste Blatt 
der Bibel entrollt; noch Meister der Naturforschung wie helmholtz haben 
mit höchster Anerkennung davon geredet. Aber die protestantische Theo— 
logie denkt nicht daran, das fortschreitende Verständnis der Natur an die 
Grenzen der Naturerkenntnis jenes alten Denkmals binden zu wollen. 
Denn nicht Naturwissenschaft, nur Religion ist der Inhalt aller Offen— 
barungen Gottes. Damit ist zugleich markiert, in welchem Sinne allein 
von Schöpfung gesprochen werden kann. Damit ist nichts gemeint, was 
irgendwie eine Bereicherung unserer naturwissenschaftlichen Erkenntnis 
vom Werden der Welt ergeben könnte, sondern ein Bild für Vorgänge, die 
uns völlig undurchsichtig bleiben. Insbesondere das Werden der Grund— 
stoffe, der „Tiefe“, bleibt geheimnisvoll, während man ihre Bildung zu 
den Ausmaßen der gegebenen Welt nach den bekannten kosmogonischen 
Theorien von Kant bis zu Poincaréea) sich notdürftig zurechtlegen kann. 
sa) Eine bequeme Ausgabe, welche die Texte von Kant und Caplace ver—⸗— 
einigt, ist von Heinr. Schmidt (Die Kant-Caplacesche Theorie, Kröners Taschen— 
ausg. Bd. 46) besorgt. Dazu vgl. die Beurteilung der Theorie bei henri Poincaré 
in Leçons sur les hypothèsses cosmogoniques (11).
	        
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