754 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen.
diger Odem gestaltend und gibt nach seinem Willen der Welt ihre stets
sich erneuernde Form. Aber mit diesem Bilde uns zu begnügen, ist, so
sehr es die Alleinwirksamkeit Gottes veranschaulicht, doch nicht möglich,
weil hier im Grunde die Welt restlos in Gott aufgelöst ist; an ihre Stelle
treten gleichsam unaufhörliche Akte Gottes, und sofern sie Kontinuität
besitzt, beruht diese allein auf der Stetigkeit des göttlichen Handelns. Im
Grunde ist nicht eine einheitliche Welt gedacht, sondern unaufhörlich.
aufblitzende und verschwindende neue Welten, die nur durch ihre innere
zusammengehörigkeit eine einzige zu sein scheinen; aber das widerspricht
der Kontinuität des eignen Selbst (und des Weltlebens), die ein festes
Datum unserer inneren Erfahrung iist. Über diesen Konflikt meint zwar
die Mystik mit dem Erlebnis des Aufgehens der Seele in Gott und ein
auf Grund der Mystik die letzte Wirklichkeit konstruierendes spekulatives
Denken, wie es zuletzt im sog. deutschen Idealismus zu grandiosem Aus—
druck gelangt ist, hinausgelangen und alles in das eine All-Ceben zurück—
nehmen zu können. Aber eine wirkliche Lösung des Problems erreicht doch
weder die mystische Praxis, der es höchstens in seltenen Augenblicken
gelingt, sich zu jener Einigung mit der Gottheit zu erheben, noch die
myystische Theorie, deren Aklosmismus nach dem Ausweis der Geschichte
immer wieder in naturalistischen Pantheismus und Atheismus umschlägt.
Überall, wo es sich um Gott handelt, müssen wir schließlich an das Ende
unseres Witzes, an das unerforschliche Mysterium bzw. an die Paradorxie
gelangen; sie liegt hier in dem unbegreiflich Großen, daß Gott nicht nur
nach Menschenart Maschinen zu verfertigen versteht, sondern Leben
schafft, das eigne Aktivität besitzt und eigne Wege geht, Wege, die in—
folge seiner eignen Beschränktheit doch nie restlos die Wege Gottes sein
können, und daß so das in Gott ruhende, von ihm allein abhängige
Weltleben seine eigne Art besitzt und von dem definitiven Gotteswillen,
der sich notwendig durchsetzt, stärker oder schwächer abweicht. Auf dieser
—A
Einheit der Welt- und Lebensauffassung ausspricht, ruht die christliche
Glaubensbetrachtungui); das Christentum ist von Hhause aus ganz „un—⸗
mysstisch“ und an einer „idealistischen“ Auffassung der Welt völlig un—
interessiert; es beansprucht nur die Verehrung, nicht die Erkenntnis der
Geheimnisse der Weltregierung. Man verstehe das nicht falsch. Das Wir⸗
ken des „Vaters“ inspiriert den „Sohn“rs); wie sollte das möglich sein
11) Man erwäge ein so aus dem Innersten hervorquellendes Wort, wie
Matth. 11, 25, wo Erfahrung von Gottes schöpferischem Wohlgefallen und von
Gottentfremdung in der Einheit des Erlebnisses verschmelzen.
12) Joh. 5, 17. 19ff.