Full text: Natur und Gott

758 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen. 
tes absolutem Ziel etwas rein Relatives, ein bloßes Mittel sein, mag 
unsere Erkenntnis davon eine rein fragmentarische sein, so bleibt doch 
jedenfalls jede wirklich bestehende Verknüpfung der Dinge, die wir er— 
kennen, ein Teil ihres gesamten Zusammenhanges, wie ihn Gott wenig— 
stens während der gegenwärtigen Weltzeit geordnet hat, also ein Ver—⸗ 
fahrungsmodus jenes göttlichen Wirbens, das alle Dinge in ihrem Zu— 
sammenhange geschaffen hat und erhält; richtig verstanden, ist 
also jede Naturerkenntnis besseres Verständnis gött— 
hichen, die nNatur durchwaltenden Willens. Die Steige— 
rung der Naturerkenntnis, die der Neuzeit geschenkt ist, kann und darf 
daher auch religiös nicht unfruchtbar bleiben. Die Wirkung zeigt sich 
nicht nur in der veränderten Stellung der Neuzeit zum Wunderglau— 
ben, auf die wir jetzt noch nicht eingehen, sondern auch in einer Verände— 
rung des unmittelbaren Lebensgefühls, die sich in mancherlei Zeichen 
andeutet. Zwar ist der unmittelbare Zusammenhang des eignen Lebens 
mit dem natürlichen und sozialen Gesamtleben in alten naiveren Seiten 
mit einer heute gewiß nicht überbietbaren Kraft und Lebendigkeit ge— 
fühlt wordens). Indes wurde doch der Gedanke unentrinnbarer Solida⸗ 
rität durch die leitende Maxime regelloser Zauberkausalität durchkreuzt. 
Der später aufkommende Individualismus zerbrach weithin jene Solida— 
rität und erhob sich in der Form der Mustik zu einer völligen Isolie— 
rung der Seele im Verkehr mit ihrem Gott. Diese Wertsteigerung der 
individuellen Persönlichkeit kann und soll nicht mehr rückgängig gemacht 
werden, aber gewiß ist es ein Fortschritt, wenn die Seele 
nicht in abstrakter Isolierung, sondern in ihrem gottgewollten 
LebenszusammenhangemitdemgrößerenGanzen, letzt— 
lich mit dem Bereich alles Irdischen, sichzu Gott erhebt. 
Allerdings wird es immer wieder möglich und notwendig sein, mit Durch— 
brechung jedes Bannes unmittelbar zu Gott zu flüchten, aber das Er— 
gebnis muß sein, den eignen Lebenszusammenhang und die aus ihm fol— 
genden Abhängigkeiten als durch Gottes Willen geheiligt zurückzuerhalten 
und lieber in der eignen Natur- und Schicksalsgemeinschaft und für sie 
zu leiden, als in frommer Selbstsucht sich über sie zu erheben. Denn 
Gott hat den CEinzelnen nicht für sich allein gewollt, sondern in seinem 
natürlichen Zusammenhange (im weitesten Sinne), und er hat auch die 
Gegensätzlichkeiten der verschiedenen Sphären und die menschliche Ver— 
flochtenheit in ihren Kampf und daraus folgende Leiden und Opfer 
gewollt. Erst diese Anerkennung macht die Frömmigkeit frei von allen 
misstischen Verstiegenheiten und macht sie fähig, auch die strenge Zucht 
18) s. oben S. 62f. 70ff. 133. 37f.
	        
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