Full text: Natur und Gott

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Vegetations⸗- und Fruchtbarkeitsriten. 63 
sequenz des „emotionalen Denkens“ gezogen. Auch auf diesem Wege 
beginnt sich ein innerer Zusammenhang der Dinge zu bilden, aber es 
ist ein ganz anderer Zusammenhang als der vom wissenschaftlichen Den— 
ken hergestellte; eine CLebensgemeinschaft beginnt sich anzubahnen, die 
durch unmittelbares Zusammenfluten von Naturgefühl und eigenem Er— 
—D— 
meinschaft der Urzeit in neuer Form. 
Wir überblicken jetzt die Stellung des Tieres in der Religionsge— 
schichte. Gewiß sind einzelne konkrete Züge der realen Tierwelt für die 
Gestaltung der untersuchten Vorstellungen von Bedeutung geworden und 
in sie eingegangen, aber sie bedeuten wenig gegenüber den Massen von 
Gefühlsvorstellungen und Phantasiebildungen. Staunende Bewunderung, 
Furcht und Grauen, auch Dankbarkeit und Freude haben die Gedanken 
geleitet. Durch freien Zusammenschluß mit andern eindrucksvollen Vor—⸗ 
stellungen konnte das Tier bis zu göttlicher oder satanischer Höhe hin— 
aufgehoben werden, aber seine eigene Kraft reichte bei steigender 
menschlicher Kultur nicht aus, sich in dieser Sphäre zu behaupten; es 
sinkt zum Dämonischen, ja zum Alltäglichen herab und wird dem Men— 
schen untergeordnet. Aber bleibend behauptet sich unter so mannig— 
fachen Abänderungen ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit beider 
selbst da, wo ein tiefgehender Unterschied zwischen ihnen vorausgesetzt 
wird. Zugleich ist die Entwicklung von dem Streben geleitet, ein Bun— 
des⸗ und Treueverhältnis zwischen ihnen herbeizuführen. Mag dieses 
zunächst von der Idee der Gleichstellung, ja von dem Gedanken aus— 
gehen, daß das Tier der überragende Teil sei, allmählich dann eine 
Überordnung des Menschen bemerkbar werden, an dem zZiel eines Schutz— 
und Freundschaftsbundes, der beiden Teilen dient unter Ausschluß des 
Kampfes, wird nichts geändert. Das spezifisch Satanische, der Wider— 
spruch gegen die göttliche Ordnung ist zur Uberwindung und Ohnmacht 
verurteilt. 
3. Vegetations⸗ und Fruchtbarkeitsriten. 
Neue Aufschlüsse über das Verhältnis des religiösen Menschen zur 
Natur bietet uns die Betrachtung der Pflanzenwelt. 3war der UHus- 
gangspunkt ist der gleiche wie beim Tiere; auch die Pflanze erachtet 
der Primitive in gewissem Maße als sich selbst gleichartig. 
Man kann bezweifeln, ob Mannhardt Recht hat, wenn er im „Baumkult 
der Germanen“ die Pflanzenseele als den Keim aller mythologischen Bildungen 
ansieht, aber daß die lebendige Pflanze ebenso wie das lebendige Tier einen selbst⸗ 
ständigen Ansatzpunkt mythologischer Bildung darstellt, kann füglich nicht in Ab— 
rede gestellt werden. J 
Wenn eine späte indische Legende Sweifeln gegenüber argumentiert, „selbst
	        
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