Full text: Natur und Gott

64 Bedeutung der Natur für die Keligion. 
der Baum hat eine Seele, er wächst jast),“ so ist nur sekundärem Skeptizismus 
gegenüber die ursprüngliche Auffassung festgehalten. Mit dem primitiven Seelen⸗ 
glauben geht diese Vorstellung leicht und weithin die Verbindung ein. So begeg⸗ 
sen in den Uitoto-Mythen Menschen, die Bäume und Sträucher sind, nämlich 
„unsere Vorfahrenss)“. Im deutschen Märchen vom Machandelbaum treffen wir 
die gleiche Vorstellung, die ja überall naheliegt, wo Bäume oder Blumen aus 
dem Grabe hervorsprießen. In Indien geht die Kette von Verwandlungen, welche 
ein und dasselbe Wesen durchläuft, auch durch die Pflanzenwelt hindurchos). 
Auch begegnen bei totemistischen Stämmen Pflanzentotems. Immerhin ist natur⸗ 
gemäß die Personisizierung auf diesem Gebiete sehr viel schwächerso). Umgekehrt 
zeigt sich die Phantasie, wo sie dies Gebiet betritt, noch freier, da die gewohnte 
heweglichkeit der Person unmöglich an den festen Standort der Pflanze gebunden 
werden kann. Darum wird der Baum nach Analogie des menschlichen KUörpers ge— 
dacht, dessen Seele ungebunden umherschweift und sich in dem Kauschen des Wal⸗ 
des oder den Windfurchen des wogenden Kornfeldes sowie in allerlei Spuk be⸗ 
merkbar macht. Es ist weniger die einzelne Pflanze als ihre Sammlung in Wald 
und Feld, welche die Phantasie beschäftigt, und so bildet sie mancherlei Wald— 
geister und-götter, desgleichen Feld⸗, Slur⸗, und Grenzgeister, die meist in Tier—⸗ 
gestalt auftreteen. 
Zur Bildung höherer Göttergestalten ist es auf diesem Wege noch weniger 
gekommen als vom Tiere aus. Dagegen werden die Bäume und Pflanzen (wie 
die Tiere) gern in den Dienst der Gottheit gestellt. So schätzt Nebukadnezar den 
„üppigen Wald Marduks“ auf dem Libanon als geeigneten Schmuck für den 
Fürsten himmels und der Erdenst). Im gleichen Gefühl haben Semiten und In⸗ 
dogermanen lange, ehe sie Tempel kannten, unter hl. Bäumen die Gottheit ange— 
belet, Gericht gehalten und alle wichtigen Angelegenheiten des Landes geordnet. 
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lichens2) und feierten ihre Nachkommen bis zur großen Rultusreform ihre Feste. 
Das Rauschen der Bakasträucher nahm David zum Seichen, daß Jahwe vor ihm 
her zum Kampfe aus ziehess). Uralter Besitz des Himmels- (bzw. Donner-Gottes war 
die CEichesa). Als Eigentum des Sonnengottes wurde die Palme zum Symbol des 
Siegesss). Die Zypresse, ein Bild der spitzen Flamme, hat Zoroaster aus dem 
Paradiese genommen und zum Wahrzeichen seines Gottes gemacht. War es hier 
87) Tieles a. a. O. S. 346. s8) Preuß a. a. O. 6, 62ff. 
59) Vgl. z. B. die Vorgeburten des Buddha als „Baumgottheit“ (Oldenberg, 
Reden des Buddha s. 399. 431). über die Pflanze in der Religion vgl. auch 
Hh. v. Glasenapp, Der hinduismus 1922 s5. 62ff. 
so) Vgl. dazu die Bemerkungen Wundts über die Pflanze im Mythenmär— 
chen (Völkerpsychologie 2. HAufl. 56, 224 ff.). 
61) Greßmann: Altorientalische Texte und Bilder zum A. T. S. 122. Vgl. 
Hesekiel 31, 16. 18, wo die Bäume des Libanon, die auserlesenen, Wasser trin— 
kenden, den Bäumen Edens gleichgestellt werden. — 
s2) Vgl. namentlich Baudissin, Studien II; Curtis, Ursemitische Religion 
S. 90ff. 101 f. 1603 f. usw. 
és) 2. Sam. 5, 24; vgl. auch die „Terebinthe der Wahrsager“, Richter 9, 37. 
64) Auch nach heutiger Bauernmeinung fährt gern der Blitz in die Eichen. 
66) So auch Joh. 12, 13. Ape. 7, 9.
	        
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