Full text: Natur und Gott

822 Abschließende Ergebnisse und letzte Fragen. 
Auf nicht minder bedeutsame Berührungen zwischen der angewand— 
ten Naturerkenntnis und den sittlichen Aufgaben stoßen wir, wenn wir 
die Naturgrundlage der heutigen Gesellschaft ins Auge fassen. Wir be— 
gnügen uns, so bedeutsam sie sind, mit kurzer Anführung. So wenig 
wir uns anmaßen dürfen, den Gesamtbereich der natürlichen Energie— 
arten, welche in unserer Reichweite zur Auswirkung gelangen, bereits 
völlig durchmessen zu haben, so naheliegend ist doch der Gedanke, daß 
der Vorrat an freier Energie ein begrenzter ist. Unter dieser Poraus— 
setzung aber wird der von Ostwald formulierte Imperativ: „Vergeude 
keine Energie, verwerte sie“, zu einem Imperativ nicht nur der Klugheit, 
sondern zu einer sittlichen Anweisung, in der die alte Forderung der Herr— 
schaft über die Erde und der Glaube, daß der Mensch ein göttliches 
Mandat zu solcher Herrschaft, aber auch die Verantwortung über die 
Art ihrer Ausübung vor Gott hat, eine zeitgemäße Formulierung ge— 
funden hat. Kann nun die unbelebte Natur nur als Mittel für die 
Zwecke des Menschen ein Verhältnis zur Sittlichkeit gewinnen, so ent— 
hält dagegen die belebte Natur nach Gottes Willen einen eignen Lebens— 
stil und über diesen darf sich der Mensch als Gottes Haushalter nur inso— 
weit hinwegsetzen, als es die Notwendigkeit eigner Lebenserhaltung oder 
geistiger Ziele erfordert; im übrigen wird die Menschheit die Natur— 
zwecke schonen und selbst nach Kräften befördern müssen. Mit der For— 
derung der geistigen Herrschaft des Menschen ist auch die Ausbildung 
der Naturerkenntnis und der durch sie bedingten Technik — dies Wort 
im weitesten Sinne genommen — in die sittliche Aufgabe eingeschlossen, 
und jede Erkenntnis und Technik involviert wieder die sittliche Notwen— 
digkeit, das sittliche Handeln zutreffenden Falls ihr gemäß zu gestalten. 
Wir spezialisieren jetzt den allgemeinen Gesichtspunkt der Natur 
und ihrer Erkenntnis und fassen die Natur des Menschen und ihren 
normalen Sustand, d. h. die Gesundheit nach Leib und Seele, als Auf— 
gabe menschlicher Erkenntnis und menschlichen Handelns ins Auge. Von 
Anthropologie, Psychologie und Medizin gilt daher alles eben Gesagte 
in noch erhöhtem Maße. Neben den Aufgaben der Wiederherstellung 
der Gesundheit, wo sie gestört ist, stehen die vorbeugenden Maßnahmen 
der individuellen und sozialen Hygieneuo), deren Forderungen sich in sehr 
weitgehendem Maße mit den sittlichen Grundsätzen berühren und weithin 
geradezu als eine technische Ausführung des sittlich Gebotenen angesehn 
werden dürfen. In besonders hohem Maße gilt das von der schon er— 
wähnten Gewerbehygiene und von der Wohnungshngiene. Diese letz— 
c10) Flügge, Grundriß der Hyygiene (seit 'O2 in zahlreichen Auflagen).
	        
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