Gerade in der Aufsuchung von ebenflächigen Körpern von regulärer und halb-
regulärer Gestalt, mit einfachen und überschlagenen („sternförmigen“‘) Seitenflächen
ist die Formenfreudigkeit der Geometer von jeher hervorgetreten, vom Pentagram-
mum mysticum beginnend, zu Keplers sternförmigen Polygonen und Polyedern, die
er in seinem Mysterium cosmographicum und in der Harmonia mundi beschreibt,
zu Dürers Konstruktionsvorschriften bis zu den heutigen seit Möbius nach ihrer
prinzipiellen Bedeutung gewürdigten Netzkonstruktionen im Raume und zu den Pro-
jektionsmodellen der sechs regelmäßigen vierdimensionalen Körper, die für unsern
Raum gleichfalls die Bedeutung regulärer Einteilungen besitzen.
{hnen reihen sich Modelle zur „Geometrie der Lage‘ an, welche die von Maß-
verhältnissen unabhängigen Eigenschaften geometrischer Gebilde in typischen Formen
<ennzeichnen.
Eine weitere Reihe von geometrischen Modellen und graphischen Darstellungen
hat die Gestalten krummer Linien und Flächen zum Gegenstand.
Sie können betrachtet werden nach ihrem Gesamtverlauf, wie ihn Archimedes
and Apollonius von Pergä für die Kurven zweiten Grades als Schnitte von Kegeln
dargelegt haben oder nach ihrem Verhalten in der Umgebung „regulärer‘ oder
„singulärer‘“ Stellen, also nach ihren „„differentiellen‘“ Eigenschaften. Der Gedanke,
auch krumme Flächen anschaulich darzustellen, gehört, wie der ganze Ausbau der
Geometrie der krummen Flächen, dem letzten Jahrhundert an. Modelle aller Flächen-
typen zweiten Grades sind erstmals vor etwa hundert Jahren angefertigt worden. Es
geht die Anregung hierzu auf Monge und seine Schule zurück. Eine erste Sammlung
von geometrischen Modellen wurde im Anschluß an Monge’s G&ometrie descriptive
von dessen Schüler Bardin für den Unterricht an der &cole d’application in Metz
nergestellt, später durch Muret fortgeführt und auch auf die Gebiete der ange-
wandten Mathematik ausgedehnt (Darstellung der Formen schwingender Saiten,
Wellenfläche des Lichtes, St. Venants Modelle zur Biegung und Torsion prismatischer
Stäbe). In Deutschland entstanden im Anschluß an einzelne geometrisch bedeutsame
Probleme gelegentlich interessante Modelle, so Kummers elegantes Modell der Brenn-
‘Jäche des Ellipsoids und die überaus exakten Modelle von Schwarz zur Theorie der
Flächen kleinsten Flächeninhaltes, der Flächen konstanter Krümmung u. a. Der
Gestaltenreichtum, der Plückers geometrischer Betrachtungsweise innewohnt und
die bewußt geometrische Einstellung von Clebsch und seinem Freundeskreis führte
zu einer neuen Belebung der Geometrie und geometrisch anschaulicher Methoden.
Klein und Brill schufen an der Technischen Hochschule in München im Zusammen-
hang mit dem in der gleichen Richtung für die Bedürfnisse des Technikers eingestellten
Unterricht ein mathematisches Institut, in dem in der Folge und bis auf den heutigen
Tag, anschließend an besondere Fragestellungen eine Reihe neuer Anschauungsmittel
’ür den höheren mathematischen Unterricht zur Ausführung gelangte. Sie wurden
damals durch den Verlag von Brill in Darmstadt veröffentlicht, späterhin vom Verlag
von Schilling in Halle und von B. G. Teubner in Leipzig übernommen. Der Grund-
stock der geometrischen Modelle des Deutschen Museums entstammt diesen Veröffent-
lichungen, die späterhin durch anderweite Objekte bereichert wurden. So waren an
der Technischen Hochschule in Karlsruhe unter Wiener, an den anderen Technischen
Hochschulen, an der Universität Leipzig gleichfalls auf Kleins Initiative, in Göttingen
durch Schwarz und Klein Institute und Arbeitsstätten entstanden, in denen jeweils
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