mütigen Mund; „atmende Nasenflügel wittern Lebenslust wie Beute“
(Hamann); „der Blick träumt von Abenteuern“ (Dehio). Aus dieser
Zusammenstellung ergibt sich, daß die Empfindungen, die der Anblick
des männlich schönen Angesichtes im Spürsinn der Seelenforscher er—
weckt, durchaus nicht einheitlich sind, sondern von der Einstellung des
Empfängers abhängen, wohl auch von der wechselnden Belichtung der
Gesichtsformen. Vielleicht ist aus Haltung und Blick des Reiters welt—
liche Gesinnung, ein hexrisches, selner überlegenheit bewußtes Wesen,
eine unheimliche Anziehungkraft herauszulesen? —B— übertrifft
er seine Zeitgenossen an individuell beseelter Ausdruckskraft.
Der Baldachin
Es ist der Versuch gemacht worden, den ganzen Bildaufbau vom
Sockel bis zum bekrönenden Baldachin in eine Gedankenreihe zusam—
men zu bringen. Dieses Ganze ergäbe das mittelalterliche Weltbild. Die
kahle, unbehauene Konsole sei die anorganische Natur, das Blättermeer
des eigentlichen Sockels die Pflanzenwelt, das Pferd vertrete das Tier—
reich, der Reiter den Menschen, die Krone der Schöpfung; der Baldachin
zeige den Himmel oder das Christentum an, der Dämon im Akanthüs—
blatt der rechten Konsole die Unterwelt oder das Heidentum. Daraus er—
gebe sich die Deutung des Reiters als Denkmal des Menschen, des Be—
herrschers der Welt, „des jugendlichen tatfrohen Helden, der sich anschicke,
die Erde dem göttlichen Willen zu unterwerfen, des heroischen, des hel—
dischen Christen“. Die Beachtung der Konsolen in ihrer auffälligen Ver—
schiedenheit begrüßt der —S der in seinem Buche über „Das
Schottentor“ darauf hingewiesen hat, daß Ornamente nicht als sinnlos
abgetan werden dürfen. Doch die Konstruktion obiger Erklärung fällt
zusammen, weil sie gekünstelt ist. Das Mittelalter hat dem Begriffe des
frommen oder des heroischen Menschen an sich kein Denkmal gefetzt. Und
der Baldachin sagt nicht aus, was von ihm behauptet wird. Er unter—
scheidet sich wenig von den Baldachinen der anderen Figuren des Do—
mes. Er besitzt keine Sonderanzeichen, die im obigen Sinne zu ver—
stehen wären und auf den Ritter bezogen werden könnten. Nicht nur die
Heiligen des Seitenganges, sondern auch Adam und Eva an der Adams—
pforte, der Fürst der Welt an St. Sebald in Nürnberg, in Freiburg und
in Straßburg wieder der gekrönte Weltmann, neben ihm die Laster und
die törichten Jungfrauen stehen unter Baldachinen, deren Sinn und
Zweck zunächst nur der einer schützenden Bedachung für die Figuren
war; dazu trat die Einpassung in die Architektur und die künstlerische
Ausgestaltung. Wir sehen, der Baldachin war kein Vorrecht der Heili—
gen und übermenschen. Schade um die poetischen Anregungen, die sein
Anblick neuromantischen Seelen bieten könnte! Nicht der Baldachin,
wohl aber der Sockel mit seinen Stützen hat sprechende Andeutungen
auf den Sinn der Reiterfigur. Davon später.
Germanische Reiterbilder
Monumentale Reiterbilder sind in der Kunst Deutschlands bis in
das dreizehnte Jahrhundert nahezu unbekannt, in Gruppen und Sze—
nen kommen Reiter vor, zum Beispiel die heiligen drei Könige, Reiter—
kämpfe und ähnliche Themen. Doch die Meinung, erst durch die Einfälle
der Hunnen und Ungarn sei die Vorstellung von reitenoͤen Kriegern
allgemeiner verbreitet worden, ist falsch. Ohne Reiterscharen hätten die
Deutschen auf dem Lechfelde 955 nicht gesiegt. Der Besitz eines kriegs—
tauglichen Pferdes war freilich begüterten, vornehmen Herren vorbe—
halten und machte auf den gemeinen Mann den Eindruck von Macht