Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

und Würde. Die Herzoge der germanischen Stämme dürfen wir uns be— 
ritten vorstellen. Römische Reiterdenkmäler sind zahlreich vorhanden, 
auch diesen nachgebildete deutsche Reiter mythologischer Bedeutung. 
Der Volksglaube schreibt dem Pferde magische Kräfte und unterwelt— 
liche Dämonie zu. Bekannt sind die Zierscheiben aus der Völkerwan— 
dexungszeit, im alemannischen Gebiete besonders häufig gefunden; da 
trägt der Reiter die eingelegte Lanze, das Roß schreitet mit vorgestreck— 
tem Kopfe weit aus. Das Totenroß auf gotländischen Grabsteinen trägt 
den verstorbenen Helden ins Jenseits. Eine Runeninschrift nennt auf 
dem Grabstein von Möjebro den Namen des Reiters. Wer kennt heute 
nicht den Reiterstein von Hornhausen, jetzt im Museum für Vorgeschichte 
in Halle? Das Reiten auf dem Pferde ist zum Merkmal heldischen We— 
sens geworden, das Roß ist die Vollendung des Ritters, so auch beim 
Reiterbild im Bamberger Dom. Doch ist eine kunstgeschichtliche oder 
bildinhaltliche Verwandtschaft mit jenen Frühwerken nicht nachweisbar. 
Beziehungdes Reitersaufgeschichtliche Personen 
Das Reiterbild im Bamberger Dom macht den Einddruck eines Denk— 
mals. Während die romanische Zeit eher frägte: Was ist das? Was be— 
deutet dieses Bild?, bekümmert sich die neuere Zeit um den Ramen des 
Dargestellten: Wer ist das? Das „Rätfelraten“ kommt an kein Ziel und 
Ende. Etwaige Beziehungen eines Heiligen oder eines Fürften zu dem 
Gotteshaus oder zu Bamberg überhaupt, gestatten nur haltlose Ver— 
mutungen, wenn kein Attribut, keine noch so nebensächlich erscheinende 
Andeutung die fehlende inschriftliche Bezeichnung erfetzt. Genannt wur— 
den Kgiser und Könige, Helden der Geschichte und Sage, die apokalypti⸗ 
schen Reiter und Christus, der in der Geheimen Offenbarung als Rei⸗ 
ter erscheint; aber kein Anzeichen unterstützte die Benennung. Einem 
CLhristusbilde fehlt die Segensgeste, die den Reiter von Holzkirchen als 
Christusbild kennzeichnet; dieser Deutung widerspricht die ausgefpro— 
hen weltliche Erscheinung des Bamberger Reiters. Die Heiligen Georg 
und Martin haben im dreizehnten Jahrhundert ihre typischen Begleit 
figuren, den Drachen oder den armen Mann (vgl. den Bassenheimer 
Reiter des mit dem Bamberger fast gleichzeitigen Naumburger Mei— 
sters; das vor kurzem erst entdeckte Bildwerk stand ursprünglich im 
Dom zu Mainz). Es besteht eine Stimmenmehrheit für den üngarn— 
könig Stephan I. gestorben 1038, heilig gesprochen 1083. Er waär der 
Schwager Heinrich i1. des Heiligen, mit dessen Schwester Stephan ver— 
mählt war. Seine Verehrung ist in Bamberg im dreizehnten Jahrhun— 
dert nachgewiesen. Seine Anwesenheit wäre an der Adamspforte zu er— 
warten, aber da steht neben Heinrich und Kunigunde sein Namens— 
patron, der Diakon und Martyrer Stephanus. Vielleicht wußte man 
kein sprechendes Bild für den in Bamberg nicht volkstümlich geworde— 
nen Ungarnkönig; es scheint aus der mittelalterlichen Zeit kein Stand— 
bild dieses Heiligen zu geben. Eine erst im neunzehnten Jahrhundert 
entstandene Legende erzählt, der noch dem Heidentum ergebene Stephan 
sei mit der Heiligkeit des Ortes unbekannt in dem Dom bis zum Chor— 
aufgang, wo jetzt das Reiterbild steht, eingeritten; dort habe das kluge 
Tier gestutzt und den Kopf gewendet. Der Reiter erkannte seinen Feh— 
ler und verließ den Dom. Diese aus älterer Zeit nicht nachweisbare Le— 
gende ist angesichts des Reiterbildes erfunden und erst nach Beseitigung 
des Lettners und Schaffung von Choraufgängen möglich geworden. 
Wollte zur Bauzeit des Domes ein Si. Stephan in dem Tome 
aufgestellt werden, so nur als Heiliger, nicht als ungetaufter,
	        
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