Die geiltige Botschaft romanischer Bauplaltik
in der alten Abtei in Schaffhaulen am Rhein
J. An der Südseite der alten Abtei des Klosters Allerheiligen in
Schaffhausen ist ein Laubengang mit drei auf einander folgenden Säu—
lenarkaden. Diese Bogen werden durch zwei Pfeiler getrennt, die an
ihren Ost- und Westseiten mit rechteckigen Reliefplatten geschmückt sind.
Wir folgen in deren Beschreibung dem Aufsatz von Reinhard Frauen—
felder im Schafshausener Tagblatt, 1936, Nr. 238.
Die Erfahrung an vielen romanischen Bilderreihen läßt vermuten,
daß von diesen zwei Pfeilern der östliche Gutes, der westliche Schlim—
mes durch seine Bilder aussagen wird.
Amöstlichen Pfeiler. An dessen östlicher Seite zeigt das Relief
ein Pflanzenwerk, das wohl irgend einer Elfenbeinschnitzerei nachgebil—
det worden ist. Der ornamentale Charakter erlaubt nicht, diese Platte,
die zur geschlossenen Reihe der vier Pfeilerbilder gehört, als sinn- und
inhaltlos zu übergehen. Das vorliegende Pflanzenmotiv erinnert in
seinem, wenn auch stilisierten, Aufbau deutlich an das uralte Symbol
des Lebensbaumes. Die Tiermaske am unteren Teile des Stammes
darf uns nicht beirren; sie kommt von der unbedenklichen, gedanken—
losen Nachbildung einer profanen Vorlage, oder soll vielleicht das „Le—
ben“ des Baumes andeuten. Der Lebensbaum ist das einfache und spre—
chende Symbol des Lebens, in der christlichen Symbolik das Bild des
Gnadenlebens, des paradiesischen Zustandes der Seele, des ewigen Le—
bens im Himmelreich. Diese Erklärung des Reliefs wird durch den In—
halt der folgenden Bilder, durch die Gedankenreihe und Zusammenge—
hörigkeit bestätigt: Hier ist das ewige Leben im Himmel angedeutet, das
andere Bild am gleichen Pfeiler zeigt den Weg zum Himmel.
An der westlichen Seite des gleichen Pfeilers sehen wir im Relief—
bilde die von orientalischen Webstoffen her übliche Darstellung eines
hegehmten dienstbaren Elefanten mit dem typischen Turm auf dem
ůcken. Dahinter und darüber erscheint eine Burg. Im übrigen füllen
Pflanzengebilde (Bäume?) die Fläche aus, die hier ein diesseitiges Pa—
radies andeuten können. Der Elefant ist nach der mittelalterlichen Sym—
bolik das Sinnbild der Mäßigkeit und Keuschheit. Er verkörpert auch
große Macht und Kraft, weshalb er auch an Kirchenportalen den Löwen
vertreten kann, den Wächter des Heiligtums; in Canossa (Italien) tra—
gen Elefanten den Bischofsthron, Mit Leichtigkeit könnte der Elefant
den ihm aufgebürdeten Turm, der ursprünglich Bogenschützen und
Speerwerfer aufzunehmen hatte, abwerfen; aber das kluge Tier ist trotz
115