zur Erklärung mittelalterlicher Bildinhalte
Während die altchristliche Symbolik und Ikonographie schon längst zum Ge—
genstand eindringlichster Forschung und praktischer Ausbeutung geworden ist,
wurde der viel reicheren und uns näherstehenden Bildersprache des Mittelalters
weniger wissenschaftlicher Eifer gewiomet. Eine Zusammenstellung der Denk—⸗
mäler fehlt sogar für das engere Gebiet deutscher Kirchenkunst. Es gibt Wörter—
bücher der Symbole, die kritiklos literarische Phantastereien zusammentragen
und altchristliche, mittelalterliche und barocke Symbolik nicht auseinanderhal⸗
ten. Damit ist weder der Suche nach der Wahrheit, noch der Ausnützung der
Beispiele geholfen. Eine reiche Ernte an Bildgedanken und Sinnbildern, an
Einblicken in die christliche Denkweise und altes Volksgut bleibt ungewertet
liegen. Die Sprache dieser steinernen Urkunden ist uns fremd geworden.
Die notwendige Vorbereitung und Voraussetzung für die zuverlässige Er—⸗
forschung der romanischen Bauplastik auf ihre Bildinhalte ist die Kenninis der
katholischen Theologie; aber sie reicht nicht zu ohne Kunst- und Kulturgeschichte
bis zu den Außerungen der Volksseele in Gebräuchen, Redensarten und Daär—
tellungen.
Im Jolgenden vereinigt der Verfasser eine Reihe von ikonographischen
Untersuchungen, die in verschiedenen Zeitschriften erschienen und heute schon
größtenteils schwer erreichbar sind. Die geschlossene Neuausgabe rechtfertigt sich
nicht nur im Hinblick auf die Erstveröffentlichung an abgelegener Stelle und
durch die hier beigegebene Illustrierung, sondern auch deshalb, weil erst die
Zusammenstellung der Artikel grundlegend und zugleich beweiskräftiger in die
romanische Symbolik der Bauplastik einführt.
Die Erprobung an vielen Fällen bewahrheitet die Grundregeln, die den Ver—
jsasser zu einleuchtenden Ergebnissen geführt haben. Die Darstellung hält sich
in gebotener Kurzfassung, also ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Es wird nicht wiederholt, was in Schriften über christliche Symbolik und in
Kunstgeschichten (unübertroffen bis heute bei Franz Xaver Kraus) zu finden ist.
Wie die Arbeiten des Verfassers, so beschränken sich diese Ausführungen auf die
romanische Bauplastik. In diesem Zeitraum (ungefähr 1100 bis 1250)
sind von altchristlicher Symbolik kaum mehr Spuren zu entdecken, im dreizehn⸗
ben Jahrhundert werden die Grenzen und Bindungen der künstlerischen Bil—⸗
derwahl gelockert durch den gotischen Individualismus in der Denkweise und
im Naturalismus der Darstellung.
Was die Quellen betrifft, aus denen der Verfasser geschöpft hat, kann er un—
möglich das ganze Schrifttum seines vieljährigen Suchens vor dem Leser aus—⸗
breiten. Die ergiebigste Quelle für die Bildinhalte und die Symbole war die
HIJ. Schrift mit ihren geschichtlichen Tatsachen, Vorbildern und bildlichen
Ausdrücken. Die Bildersprache der Bibel war Auftraggebern und Bildhauern
jedenfalls vertrauter als die symbolistischen Wettläufe des Durandus, Siccardus
und wie sie alle heißen, die vom Bildinhalte der Steinplastik nichts sagen, wie
auch von ihrem Einflusse auf die Bebilderung nichts zu merken ist. überraschende
Aufschlüsse gewährte die von der formalistisch eingestellten Kunstgeschichte ver—
nachlässigte Volkskunde und Volkskunst. Sagen, Märchen, Spruchweistum und