Die Sumbolik der Bauornamente in der
Burgkapelle zur hl. Margaret in Hürnberg
Einleitung
Die Ornamentik der romanischen Stilperiode darf nicht im vornherein
für sinnlose Spielerei erklärt werden. Die Ausstattung der Doppel—
kapelle St. Margaret auf der Burg in Nürnberg ist ein Schulbeispiel
für die im allgemeinen geltende Regel, daß zur Auswahl und Anord—
nung der Zierate gewisse Vorstellungen, die auch in der Volkskunst sich
geltend machen, Voraussetzung waren, daß bestimmte Rücksichten auf
3weck, Ort und Gegenstand der Anbringung beachtet wurden, daß in
den Ornamenten Gedanken und Mitteilungsabsichten zum Ausdruck
gelangen.
Wie nicht planlos gebaut wurde, so wurden auch die Ornamente
nicht „dem freien Spiel der Steinmetzeu“ überlassen, sondern ihre Aus—
wahl und Verteilung auf die Bauglieder war planmäßig vorgesehen.
Das Kirchengebäude war in allen seinen Teilen Gegenstand symboli⸗
icher Auslegung. Dieser Symbolik dienen die entsprechenden Orna—
mente und sie sprechen kirchliche Gedanken aus. Geistliche Bauleiter
oder Ratgeber ersannen das Programm, die in den Geheimnissen der
Theologie und Symbolik bewandert waren. Selien stieg die Deutlichkeit
bis zur allgemeinen Verständlichkeit herab, denn der erste Zweck der
Zier war, nicht Belehrung, sondern eben die Zier, die nicht sinntos und
profan sein sollte.
Der Sinn, in welchem die Ornamente verwendet wurden, entfernt
sich nie allzuweit von der meist uralten Grundbedeutung. Großenteils
waren die Formen in ihrer volkstümlichen Bedeutung bekaunt, als mit
denselben Zeichen und Zügen die Holzbauten, Türen, Kästen und Wie—
gen versehen wurden, nicht bloß um sie zu zieren, sondern sie vor bösen
Einflüssen zu schützen und dem Segen des Himmels zu unterstellen.
Netz, Geflecht und Gitter, Abwehrornamente sind Gemeingut saller Völ—
ker; Stricke und Zöpfe, Spiralen und Schlingen begegnen als Backfor—
men und als Zier auf Broten. Im Biloͤ- und Analogiezauber begeg⸗
nen solche Zeichen, die als Bauornamente auf Leben und Tod, Fluch
und Segen, Himmel und Hölle zwanglos bezogen werden konnten.
Bei der Ablesung des jeweiligen Sinnes der Ornamente ist zu achten
auf Ort und Gegenstand, woran sie sich befinden; dann auf die Gegen⸗
überstellungen und die Unterschiede, die oft gering und unwichtig schei—
nen; vor allem aber auf die Stellung des Bildwerkes zur Himmelsrich—
tung, deren symbolische Bedeutung die Anordnung geradezu beherrschte.
Abweichung vom Gesetze der Orientierung läßt auf befondere Bildab—
sicht schließen. Mehrdeutige Symbole werden aus dem Zusammenhang,
der Entsprechung und der Gegensätzlichkeit im richtigen Sinne erfaßt
werden. Einzelornamente ohne Bezug und verstreute Stücke können
Wse nichts aussagen. Wo die Andeutung fehlt, unterbleibe die Aus—
eutung.