Der Taufltein in der evangelischen Stadtpfarr⸗
kirche in Freudenltudt
In der 160108 von H. Schickharödt erbauten Stadtpfarrkirche
in Freudenstadt befindet sich ein wohl noch dem zwölften Jaͤhrhundert
entstammender steinerner Taufkessel, dessen figürliche Ausstattung zu
verschiedenen Erklärungsversuchen Anlaß gegeben hat. Erwähnt seien
nur Eugen Keppler im „Archiv für christliche Kunst“, 1880, und Jan
Faste na u, „Romanische Steinplastik in Schwaben“, Eßlingen, 1001,
auf die in vorliegender Arbeit Bezug genommen wird. Dieses eigen
artige Werk der romanischen Bildhauerei wurde vermutlich aus
Hirsau hieher verbracht, nachdem die dortigen Klosterbauten 1692
durch die Franzosen zerstoört worden waren. Malerial (roter Sandstein)
und Technik zeigen Verwandtschaft mit der Plastik am sog. Eulenturm
in Hirsau.
Der Aufbau
Ein halbkugelförmiges Becken ruht auf einem walzenförmigen
Sockel; die Gesamthöhe ist ungefähr ein Meter. Oben und unten um—
ziehen den Kessel tauartige, kräftige Rundstäbe. Zu ihrer Erklärung
brauchen wir nicht an die magische Bannkraft der Kreise zu denken.
Stricke haben die Bedeutung des Abgrenzens und Ausschließens. Hier
trennen sie den Raum, der für das Taufwasser bestimmt ist, von dem
Bildinhalt der Außenwandung und wieder von der Symbolik der den
Sockel umgebenden Freifiguren. Es war nicht Voraussetzung, sondern
Ergebunis dieser ikonographischen Arbeit, daß diese auffallenden
Stricke den gedanklichen Aufbau einteilen. Oben (und innen) ist an das
durch die Taufe vermittelte Gnadenleben zu denken, darunter, rings
um das Becken, an die sündige Welt, am Boden an die Unterwelt. Diese
Dreiteilung — Unterwelt, diesseitige Welt, Himmelreich — ist in der
romanischen Bauplastik, an Portalwerken und Säulen oft nachweisbar.
Das Himmelreich
Als gleichbedeutend mit dem Gnadenleben wird das Himmelreich
zunächst durch das Taufwasser im Becken genügend angezeigt. Aber auch
bildlich wurde es dargestellt durch ein Ornamentband, das in den obe—
ren wagrechten Rand um die Aushöhlung des Kessels eingemeißelt ist.
Hier haben wir wieder einen Beweis, daß auch Ornamente einen Sinn
bergen und gleichwertig mit Bildern auftreten, daß sie also nicht ohne
weiteres Nachdenken als bloße Spielerei abgetan werden dürfen. Die—
ses die Wasserfläche umgebende Zierband ist nämlich aus Wellenlinien
geflochten. Das Wellenband, geflochten oder mit Blättern verfehen
Wellenranke), erinnert an Kirchenportalen, Türstürzen, Taufsteinen
usw. an die Taufgnade, an das Leben in der Gnade, an die Bedingungen
zum Eintritt ins Himmelreich. Es ist das Zeichen für bewegtes, leben—
diges und lebenspendendes Wasser. Als weiteres Beispiel fei das Wel⸗
lenband am Taufstein zu Altenstadt bei Schongau erwähnt (vgl. mein
„Schottentor“, Filser, Augsburg, 10927, alph. Register).
Das diesseitige Leben
Die Gefahren und Kämpfe in der gefallenen Welt kommen zur Dar—