Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

An den Sockelwülsten der östlichen Ecksäulen ist ein Kopf, beiderseits 
der gleiche, mit geflochtenen Zöpfen und aus dem Munde hängenden 
Ranken, Bild des Todesschlafes. In Zöpfe wurde langes Haar zum 
Schlafe geordnet; Ranken im Maule einer Maske deuten den alles Le— 
ben vernichtenden Tod an. Molche unter dem Wulst der südlichen Eck— 
säule sind Erde- und Grabdämonen. Die Pflanzen- und Tierornamentik 
am Fuße der Säulen entspringt der Symbolik der Säulen als Bäume. 
Im Halbrund der Apsis sind beiderseits vom Altare Nischen, deren 
Rundbogen mit verschlungenem Bande umfaßt wird; dieses Ornament 
bedeutet Abschließung, hier ohne besondere Andeutung 
ZweiReliefsandersüdl.AußenwanddesLanghauses 
Die Herkunft dieser Relieftafeln und ihre Anbhringung an dieser 
Stelle, unmittelbar nebeneinander, mag die Kunstgeschichte beschäfti— 
gen. Wir haben den Bildinhalt zu bestimmen. Es sind die Monatsbil— 
der für Dezember und Januar. 
Das Thema der Monatsarbeiten, oft in Zysammenstelung mit den 
Tierkreiszeichen, ist in der Bauplastik des Mittelalters sehr beliebt. 
Meist an der Westseite und an Westportalen, doch auch an der nordöst— 
lichen Porta della Pescheria des Domes von Modena und im Baptiste— 
rium von Parma, schildern die Monatsbilder das zeitlich-weltliche Le⸗— 
hen, das Irdische im Gegensatze zum Geistigen und Himmlischen. 
Das erste Bild stellt den Monat Dezember dar. Ein Mann mit lan— 
gem Rocke tötet mit einem kurzen Schwerte ein Schwein. Ein Hund 
läuft in entgegengesetzter Richtung weg, er hebt seinen Kopf zu dem 
über ihm in gleicher Richtung schwebenden Fabelwesen, das die Harfe 
spielt, vorne als Frau mit ofsenen Haaren, durch die Hinterpranken 
als Löwe, durch einen gewaltigen geringelten Schweif als Drache dar— 
en ist. Es ist demnach ein verlockendes und gefahrbringendes Un— 
geheuer. 
Das Schweineschlachten begegnet uns in Bildern der Wintermonate, 
sowohl des Dezember, als auch des Januar. Herrmann, Altdeutsche 
Kulturgebräuche, Jena, 1928, S. 42, erwähnt, daß das Julfest gleich— 
bedeutend mit Schlachtfest verstanden wurde; das wäre im Dezember. 
Die schwebende Hexe und der jagende Hund weisen auf die wilde Jagd 
hin. Herrmann schreibt: „Noch heute treiben im Volksglauben zur Zeit 
der winterlichen Sonnenwende vor allem Wodan, Perchta und Holda 
ihr Unwesen. Sie dachte man sich zur Zeit der Zwölfnächte wieder in 
ihr Land einziehend.“ Als weibliche Anführerinnen der wilden Jagd 
werden auch Frau Holle, Freja, Diana, Habonde, Abundia und Hero— 
dias genannt, auch die Frau Welt, die gern als teuflisches Unwesen, 
vorne schön, hinten häßlich, gebrandmarkt wurde. Burchard von Worms 
(1024), Sammlung der Dekrete, gibt als verboten an: Mit Herodias 
und unzähligen Weibern auf allerlei Tieren reiten und durch weite 
Erdenräume um Mitternacht schweifen. Vorstellungen des Hexenrittes 
der Walpurgisnacht vermengen sich mit solchen von der wilden Jagd. 
Spieß, Bauernkunst, Wien, 19285, schreibt: Die Hulda, ebenso die Frau 
Holle, wird als schönes Weib mit einem Schwanze dargestellt. Daß un— 
sere Dämonin die Harfe spielt, erinnert an das Spiel der Lorelei, das 
anlockt und ins Verderben zieht, sowie an die Fischweiber, Sirenen 
und Melusinen. Auch die Frau Minne wurde der Venus gleich als 
Verderberin aufgefaßt. Daß es sich hier, auf der besprochenen Relief— 
platte, um die wilde Jagd handelt, ist durch den zur Frau aufkläffen— 
den Hund deutlich genug angezeigt. Diese gehört dem Dezember an. 
79
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.