sischen Wohlseins, in das die Hitze der Leidenschaft und die Kämpfe mit
Versuchungen störend eingreifen. Im Westtrakt vollends ist Untergang,
Unterwelt, das Los der Verdammten, der ewige Unfrieden zur Dar—
stellung gelangt. Die Bildwerke an den Bogenanfängen, die im Ost—
und im Nordflügel großenteils abhanden gekommen sind, lassen sich
nicht in eine Gesamtidee einordnen, einige deuten Inhalt an. Auch die
anderwärts beobachtete sinnreiche Üübereinstimmung der Ornamentbän—
der mit den umrahmten Bildflächen ist hier nicht restlos nachzuweisen.
Die oberen Zonen der Pfeilerkämpfer des Westganges, soweit sie nicht
figürliche Daärstellungen tragen, zeigen Kreisbänder, Zauberkreise zur
Bannung der Dämonen und Stabüberkreuzungen, Hecken, Schratten⸗—
zatter, die bösen Geistern den Durchgang versperren; sie eignen sich für
die Gedankenwelt der Westseite. Im Südgang bestehen diese Zonen—
bänder aus Weinreben mit Trauben oder, aus geflochtenem Schling⸗—
werk, das, zusammengezogen, Knoten ergeben müßte, Schlingen gegen
die Feinde des Weinbergs, entsprechend dem Sinne des Südens als
diesseitiges Leben in Wohlsein und Gefahren.
Wir beginnen die Einzelbesprechung an der nordwestl. Umbiegung
des Kreuzganges und gehen durch den Westflügel gegen Süden.
Der nordwestliche Eckpfeiler trägt auf seiner südlichen Kämpfer—
fläche das Bild eines wilden Tierkampfes. Ein Löwe verbeißt sich in
einen Bären. Beide Ungeheuer sind Sinnbilder gewaltiger Stärke und
Gefährlichkeit. Der Löwe muß hier als Bild des unentrinnbaren, un—
überwindlichen Todes verstanden werden. Er kann hier im Zusammen—
hang mit den folgenden Bildern nicht etwa Christus bedeuten; am
Aufgang zum Chor im Churer Dom — Löwen einander gegenüber
Wtellt, südlich der Löwe mit einem Buch als Christus, nördlich ein
öwe mit einem verkrümmten Menschen unter dem Rachen als Tod
und Teufel, die im Mittelalter als gleichbedeutend aufgefaßt wurden
(Siehe Chur, 1935, S. 56 8 J. Der Bär, der durch die im Bilde deut—
lich gezeigte, nach der Volksanschauung menschenähnliche Fußsohle ge—
kennzeichnet ist, tritt immer auf als Vertreter des Teufels. Er ist auch
Sinnbild des Nordens, der Finsternis, Heimstätte der Dämonen bedeu—
tet (Schottentor). Der wütende Kampf dieser dämonischen Bestien, die
einander doch in die Hände arbeiten sollten, stellt den ewigen Unfrieden
und Widerstreit unter satanischen Mächten vor.
Am Kämpfer der ersten nach Süden hin folgenden Säule kauert im
Bilde der Nordseite ein Gefangener der Unterwelt in den Schling—
pflanzen des Lacus, der Wassergrube, wie die Unterwelt in der kirch—
lichen Sprache genannt wird. Das untere große Blatt ist nach abwärts
gerichtet und eingerahmt; solche Einrahmung, auch Einschließung unter
Bogen, bedeutet Verborgenheit, hier im Kreuzgang das, was unter dem
Wasser, in der Unterwelt ist (Chur, 1934, S. 261 (112] und 1935, 53 [18)).
An der südlichen Fläche ergreift ein Löwenkopf von unten her zwei
Bären, die entfliehen wollen. Die Unterwelt läßt ihre Opfer nimmer
los, der Löwe als Wächter der Unterwelt verhindert die Flucht. Der
Kämpfer der zweiten Säule zeigt auf der Noroͤseite Palmettenranken,
besser gesagt Schlingpflanzen des Lacus; das große, abwärts hängende
Blatt ist doppelt umrahmt zum Zeichen der Geborgenheit; es sei erin—
nert an die chtonische (unterweltliche) Bedeutung der Pflanzen und
Bäume überhaupt, die unterm Boden durch Kräfte der Unterwelt ihren
Ursprung haben und darum dämonische Eigenschaften besitzen.
Die Südseite zeigt einen mit in einander gehakten Füßen sitzenden
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