Full text: Die geistige Botschaft romanischer Bauplastik

religiösen Symbole beleben die Flächen. Auch hier waren über sämt— 
lichen Kämpfern Bogenanfänger, nicht alle sind mehr vorhanden. Die 
vorhandenen aber und einige Säulenknäufe widersprechen dem erwar—⸗ 
teten paradiesischen Frieden. Damit ergibt sich, daß die Haupigedanken 
nur die Kämpferseiten beherrschen, duürchaus nicht die Innenwände, 
den inneren Raum des Kreuzgangs. Dann dürfen auch“ die Darstel⸗ 
lungen der Bogenanfänger nicht zwangsmäßig im Sinne der Kämp⸗ 
ferbildreihen ausgedeutet werden. Dem Steinhauer gtand es frei, an 
Bogen und Kapitellen anzubringen, was gerade vorhanden war. 
Die Bogenanfänger des Ostganges bilden zunächst Köpfe, dann folgt 
ein senkrecht hängender Doppellöwe, hierauf ein Löwenkopf, einen Ha⸗ 
sen verschlingend, das Gleichnis des allesvernichtenden Todes; dann 
ein häßlicher Kopf, aus dessen Rachen ein drachenartiges Tier sich her— 
aus und zum Ohr des Kopfes empor windet, um es mit den Zaͤhnen 
zu fassen, der Gewissenswurm, der niemals stirbt, in Ewigkeit nicht 
unterdrückt werden kann, immer wieder aufsteigt und (durchs Ohr) 
dem Verdammten Vorwürfe macht. Der folgenden Teufelsfratze schauen 
Menschenköpfe aus Maul und Ohren heraus; eine Redensart des 
Volksmundes: so viel essen, daß es einem zu den Ohren herausläuft, 
mag diese Darstellung dahin erklären, daß der Teufel, die Hölle uner— 
sättlich ist. Kapitelle mit Löwen, Schlangenkneueln und Teufelsfratzen 
können hier aus Ort und Zusammenhaäng nicht verstanden werden. 
Der Nordgang entbehrt jeden Schmuckes der Kämpferfelder, abgese⸗ 
hen von der Strickeinfassung, die im ganzen Kreuzgang die Ränder 
begleitet. Von den Bogenanfängern sind nur vier noch vorhanden. 
Ein Mann schwört beim Barte, ein Frauenkopf trägt gescheiteltes 
Haar und schön geflochtene Zöpfe, die das Gesicht umrahmend, sich un— 
ter dem Kinn verflechten. Die Frauen legten beim Eid die Finger auf 
die Haarflechte. Ein Steinrelief von St. Zeno in Reichenhall zeigt Eva, 
wie sie mit der rechten Hand die Zöpfe auf der Brust zusammenhält, 
eine Schwurszene; siehe Schottentor, Seite 44 unten, daßzu Abbildung 
13. Da sich diese besprochenen Köpfe einander zuwenden, darf angenom 
men werden, daß Mann und Frau einander das eidliche Versprechen 
der Treue geben; sie werden es nicht gehalten haben, darum sind ihre 
Bilder hier. Dann sehen wir noch eine Fratze und einen verkrümmten 
Menschen in abstoßender Haltung. Aus den vielen Bogenanfängern 
des Kreuzgangs, sowie in den Zwickeln der Blendbogen gegen den Hof, 
die nicht besprochen werden, kann ich nichts heraus⸗ und ich will nichts 
von literarischen Quellen her hineinlesen; es handelt fich sannicht 
darum, was man dabei denken könnte. 
Am Südausgang des Kreuzgangs, gegenüber der Ostseite des Mün— 
sters, ist ein großer Ochsenkopf angebraͤcht, ein Symbol des Todes; hier 
führte eine Treppe zum Kreuzgang, der als Begräbnisftätte der Choör— 
herren benützt wurde. 
Durch eine Türe in der Nordwand des Chors gelangt man aus der 
Kirche in einen Vorplatz, von dem nach Osten Treppen zum Oberge— 
schoß (Kapitelsaal) führen; ein Tor öffnet sich zum Kreußgang an der 
Umbiegung beim Westpfeiler. Die westliche Säule des Tores trägt am 
Kämpfer das uralte Abwehrzeichen, die Kreußschlinge, von einem Kreis— 
band durchzogen (so auch am östlichen Abschlüßpfeiler des Schottentors, 
an dran asgen Kirchen als Antefix, Bekrönung des Giebels, gegen 
Blitz und Dämonen). Die östliche Säüle trägt am Kämpfer schilfartiges 
Gras, das an Grabstätten denken läßt (so in Schöngrabern, in der 
Burgkapelle St. Margarethen in Nürnberg), darunter einen Löwenkopf 
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