Gottesurteile
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geschrieben werden, um eine vorhandene Ungleichheit der Kräfte
auszugleichen; so kann, wenn eine Frau mit einem Manne zum
Gottesurteil durch Kampf antritt, dem Manne auferlegt sein, daß
er ohne Schutzwaffen und nur mit einem Knüppel kämpft. Viel—
leicht ist der nackte Oberkörper auf dem Grabstein aus Wölchingen
vgl. gleich unten) so zu deuten (7). Aber hier zwischen den beiden
Männern ist die Ungleichheit der Waffen sehr auffällig.
Noch auffälliger ist aber nun, daß dem Rämpfer mit dem
Schwerte von hinten ein Kampfzeuge in den Arm fällt und ihn fest—
hält. Kampfzeugen und nicht etwa beim Kampfe Beteiligte sind
die vier Menschen, die die Darstellung noch außer den beiden
Kämpfern zeigt, ohne Zweifel. Dieser Eingriff eines Dritten in
den Zweikampf ist um so auffälliger, als dem so Gehemmten das
Messer des Gegners am Halse sitzt. Hinter dem Manne, der den
Schwertarm des Kämpfers festhält, steht ein anderer, der ein
zleiches Cangschwert wie es der Kämpfende führt, vor sich hinhält.
Ich verstehe die Lage so: die beiden Kämpfer hatten ihre CLang—
schwerter abgeben müssen, und sollten den Zweikampf nur mit
dem Kurzschwert oder Haumesser, dem Sax, austragen. Der eine
hat nun während des Kampfs gegen die Kampfregel zum Schwert
gegriffen; deshalb greift der Kampfzeuge ein. Diese Deutung
wird unterstützt durch die auffällige Erregung der Kampfzeugen
auf der anderen Seite. Sie laufen lebhaft durcheinander; offenbar
suchen sie nun nach einem Langschwert für ihren Kämpfer. Ein
Rechtsarchäologe wendet gegen die Deutung des Vorgangs als
Gottesurteil ein, daß die Kämpfer so schwer, mit Helm und dieser
Schildform, bewaffnet seien. Zu so früher Zeit, in die man das
Steinbild setzen müsse, könnten die Kämpfer im Gottesurteil nicht
so angetreten sein. Ich lasse dahingestellt, ob wirklich so genaue
Zeitangaben, kunstgeschichtlich, für das Steinbild, und rechtsgeschicht⸗
lich, für den Kampfbrauch im Gottesurteil möglich sind. Daß es
sich bei unserem Vorgang um einen vereinbarten Kampf vor Zeugen,
nicht um Meuchelmord oder Krieg handelt, ist meines Erachtens
tlar zum Ausdruck gebracht durch den Rünstler.
A. Goldschmidt will die kämpfenden Ritterpaare, die vielfach
in der kirchlichen Bildhauerei auftreten als Sinnbild der geistlichen
Kämpfe der Seele deuten. Er bringt dazu ein Bild aus dem Psalter
mit zwei kämpfenden Rittern. Zu diesem bemerkt die gleichzeitige
Erläuterung, so wie die Kämpfer sich körperlich dem Zorn und
der Wut hingeben, entsprechend müßten wir demütig, friedlich und
besonnen sein; entsprechend d. h. umgekehrt, lucus à non
lucendo. Im südlichen Kreuzarme des Domes zu Trient hängt an