Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Gottesurteile 
dem Grabesgitter des seligen Adelpret eine getriebene Kupferplatte; 
sie zeigt oben Christus am Kreuz mit Maria und Johannes; unten 
zwei Canzenkämpfer zu Pferde. Die beiden Gestalten unten sind 
in diesem Fall durch eine ausdrückliche Beischrift vor der ihnen 
sonst ohne Zweifel zuteil werdenden Umdeutung ins Sinnbildliche 
geschützt. Es ist die Ermordung des Bischofs Adelpret durch den 
Ritter Aldigret dargestellt; der Gleichmäßigkeit halber ist auch der 
Name des Mörders wie der des seligen Bischofs in einem um den 
Kopf gezeichneten Heiligenschein angebracht (Abbildung bei Atz, 
Kunstgeschichte Tirols, 8. 318). Der oben erwähnte Erläuterer 
des Psalters hat seine Gedanken offenbar nachträglich an die vor— 
her vom Rünstler geschaffenen Kämpfe angeknüpft. Der Maler 
aber hat diese Gegenstände einfach aus Freude an der künstlerischen 
Erscheinung und zum Schmucke seiner Handschrift gewählt; genau 
so wie (vgl. die oben berichtete kirchlich übersinnliche Deutung der 
Unterkirche des Ramwold) selbstverständlich die vier Wände und 
die Säulen, an die der Erläuterer seine Gedankengespinste anknüpft, 
durch das künstlerische und bauliche Bedürfnis vorgeschrieben waren. 
Sehr richtig schreibt Heinr. Bergner, Kirchliche Kunstaltertümer, 
5. 566: „Denn wenn eine lange geistliche Auslegung eines solchen 
Reiterkampfes im Albanipsalter mit der Bemerkung schließt, nos 
autem oportet, omnem artem, quam hi duo bellatores parant 
corporibus suis, ordinare spiritibus nostris, so ist das dieselbe 
nachträgliche gelehrte Symbolik wie beim Durandus.“ 
Das alemannische Volksrecht?o) setzt das Cangschwert als die 
regelmäßige Waffe im Gottesurteil voraus. Für den Zweikampf 
im großen Münster in Zürich kommen natürlich zunächst aleman— 
nische Beteiligte in Frage. Andere Stämme wie Salier und Cango— 
barden kämpften den gerichtlichen Zweikampf mit der Keule oder 
dem Kampfstock. Der an der Großlindener Kirche dargestellte 
Zweikampf (vgl. unten Abschnitt 19) ist anscheinend mit der Keule 
ausgefochten. Aber auch das kurze Haumesser wird als Waffe im 
Zweikampf genannt. Die Ripuarier kämpften wie die Alemannen 
das Gottesurteil mit dem Cangschwert aus. Karolingische Rapi— 
tularien suchen den Kampfstock allgemein einzuführen (Brunner). 
Die Art, wie der Gegner des Guido diesem die Waffe an 
den Hals setzt, läßt zunächst eher an eine reine Stichwaffe, an einen 
Dolch, denken. Aber die Darstellung läßt doch auch durchaus das 
reine Haumesser, den Sax, möglich bleiben; dieser wäre dann 
gerade zum tödlichen Schnitt durch die Halsader angesetzt. Man 
kann übrigens bei dieser Waffe sich auch einfach den noch 
10) Wilda, Ordalien (lin Ersch und Grubers Enzyklopädie).
	        
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