Gottesurteile
iut
Kämpfenden selbst; und ebenso auf dem Flachbild des Gottesurteils
am Großmünster in Zürich, von dem eben die Rede war. Es sind
nicht etwa abgeschlagene Köpfe, wie man die Großlindener Dar—
stellung auch schon gedeutet hat. Eine burgundische Schnalle früher
Zeit (CCichtbild im Verlag Dr. Stödtner, Berlin) stellt den Einzug
CLhristi in Jerusalem vor; daß dieser Vorgang gemeint war, ist in
diesem Falle ganz zweifellos sichergestellt durch das Maultier und
die Gestalt Christi; hier finden sich nun in ganz gleicher Art wie
auf dem Großlindener Kircheneingang eine Anzahl einzelner Köpfe
in Umrahmungen. Das kann hier nichts anderes bedeuten als die
Zuschauer. Und deshalb wird die ganz übereinstimmende Dar—
stellung an der Großlindener Kirchentür auch nichts anderes vor—
stellen wollen; nämlich als die Zuschauermenge, hier die Zuschauer
des Zweikampfs.
Daß man denkwürdig erscheinende Gottesurteile in Stein verewigen wollte, ist
wie gesagt, sehr verständlich. Grade wenn man ehrlich in dem Ausgang des Kampfes
die Stimme der Gottheit erkannte, die dem Rechte zum Siege verholfen hatte, mußte
dieser Vorgang die Gemüter tief beeindrucken; und besonders dem Deutschen, dem es
tiefstes Lebensbedürfnis ist, an eine waltende Gerechtigkeit glauben zu dürfen, selbft
wenn dieser vermutete Richterspruch der Tatsachen gegen ihn entschieden hat. „Bei
der sinnenden Beschaulichkeit seines Geschlechts, welche ihn geneigt macht, über
sein Recht und Unrecht zu grübeln, gelingt ihm gar nicht leicht im Unglück feste
Kuhe zu bewahren ... Niederlage betrachtet er als Vergeltung für begangenes Un—
recht, als Zorn der Götter ... deshalb wird seine innere Niederlage wohl größer
als die sichtbare.“
So schrieb Gustav Freitag in den fünfziger Jahren und es klingt, als ob er
auf das Jahr 1918 gezielt hätte. Wir Deutschen sind wirklich die alten geblieben, im
Guten wie im Bösen. Es ist wahr, was Luigi Ambrosini von der Turiner Stampa
im Frühjahr 1918 schrieb: „Ich habe wahrhaftig in diesen Deutschen von heute ...
die wirklichen Nachkommen der alten Kampfgenossen des Arminius wieder erkannt.“
Aber die Nachkommen des Segestes lebten auch noch, wie der 9. November 19 18 erwies.
Das ist hier keine Abschweifung; denn diese Schrift will ja grade den Nachweis bringen,
daß noch sehr viel mehr von uralter deutscher Art in Denkmälern und Gebräuchen,
aber auch in der Gesinnung, heute noch in Deutschland vorhanden ist, als wir ahnen.
Die Fahrten der Ayesha und ihrer Mannschaft unter dem Kapitänleutnant Mücke,
die sich mit dem kümmerlichen Holzschiff durch die von englischen Panzern beherrschte
Südsee, dann durch Sandwüsten und die feindlichen Beduinenstämme Arabiens bis in
die Heimat durchschlugen, um dort weiter zu kämpfen, übertrifft im Grunde weit jene
Seefahrt der im Jahre 281 von Kaiser Probus über die Donau hinweg nach Thrakien
verpflanzte Germanenschar, deren Kühnheit die antiken Schriftsteller doch so sehr
beeindruckt hat. Dieser aus niederrheinischen Franken und Vandalen zusammengesetzten
Schar gelang es, im Schwarzen Meer eine Anzahl Schiffe beizutreiben; sie fuhren damit
die griechischen Inseln, Sparta, Karthago und Syrakus an, fuhren dann durch die
Meerenge von Gibraltar um ganz Europa herum in die Nordsee und gelangten von da
zu Fuß wieder in die Heimat.
In der Schlacht bei Adrianopel im Jahre 378 griffen die Westgoten mit Gesang
an; was den Augenzeugen Ammianus Marcellinus wider Willen beeindruckt hat.
Wie die jungen Regimenter am 6. und 7. Nopember 1914 bei Ypern mit dem Gesang