Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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St. Oswald —Wodan 
Einzelgöttern oder auch in eine Menge von Heiligen zerspaltet. Es 
wird unten in einem ähnlichen Zusammenhange das schwäbische 
Märchen von den drei Brüdern Donner, Wetter und Blitz zu er— 
wähnen sein. Das sind offenbar nur Spaltungen Donars, wie 
wiederum die drei germanischen Hauptgötter Wodan, Donar und 
Ziu aller Wahrscheinlichkeit nach ihrerseits wieder nur Spaltungen, 
Vermenschelungen einer ursprünglich höheren einheitlichen Gottes— 
vorstellung bedeuten. 
„Es gibt keine zweite Gestalt, an der Wodan deutlicher, un— 
mittelbarer zutage tritt, als an Oswald“, schreibt Karl Albrecht 
Bernoulli, Die Heiligen der Merowinger. 
Bernoulli berichtet von einem Bild aus der Katharinenkirche in 
der Schart zu Hafling: Es ist eine mittelhohe Statue, ein König hoch 
zu Roß, auf seinem Szepter ein Rabe. Bernoulli bringt leider keine 
Abbildung und es war mir nicht möglich, eine solche zu erhalten. 
Auch einem anderen Heiligen, einem alemannischen, dienen die 
Raben, dem heiligen Menrat: „Edel und wohlgeboren als Sohn des 
Grafen Berchthold von Saulgen an der Donau.“?6) Die Raben des 
heiligen Menrat bringen, wie die Kraniche des Ibikus, seine Mörder 
zur Bestrafung, indem sie sie jagen von Finsterwald und Wollruh bis 
zum Markt und zum Gericht nach Zürich. 
Das Heiligenbuch von 1488 berichtet, ein Engel Gottes habe 
dem heiligen Menrat seine bevorstehende Ermordung angekündigt. 
Nun sagt uns das Buch, daß St. Menrat erschrak an seiner Mensch⸗— 
lichkeit, wann das ist natürlich.“ Wie nett und anteilnehmend ist 
das erzählt. Die älteren Berichte über die Heiligen haben keines— 
wegs das Bestreben, sie zu Übermenschen hinauf zu loben. Es 
finden sich vielmehr unter diesen Heiligen viele Ceute von recht 
zweifelhaftem Lebenswandel; wenn sie nur gottselig enden, ist es 
genug. Und darin kann man wohl eine tiefe Bedeutung finden. 
Erst die Bollandisten, also erst die verrömerte, ganz mittelmeer— 
ländisch gewordene Kirche der letzten Jahrhunderte, die sich immer 
nur in der Kampfstellung fühlt gegen die Reformation, bringen die 
10) Deutsche Heilige sind sehr vielfach von edler Geburt. „St. Bernward war 
geboren von dem edlen Blute der Sachsen, und sein Vater war ein Graf von Sommer⸗ 
eschenburg, geboren von den Herzogen von Braunschweig. Und seine Mutter war 
eine Tochter des Pfalzgrafen vom Rhein“ (Heiligenbuch von 1488). Das ist ein tiefer 
Zug. Der Deutsche legt Wert auf Abstammung. Bei den Germanen hat auch der 
der nicht gerade dem obersten Kreise angehört, doch aus dem Bewußtsein seines Blutes 
heraus innere Sicherheit und Selbstbewußtsein genug, um die Vorzüge der Geburt 
mzuerkennen. Der Germane hat nicht den bittern Sklavenhaß gegen den höher 
Ztehenden, wie ihn der unter der ihm überlegenen germanischen Rasse lebende Nieder— 
rassige so ausgeprägt aufweist.
	        
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