126 Die heilige Kümmernis
985 vergraben; sein Alter selbst ist unbestimmbar; er kann also
sehr gut noch aus vorchristlicher Zeit stammen. Dieser Umstand
erleichtert natürlich die eddische Deutung bei dem Anhänger, wäh⸗—
rend die späte Entstehung der Wannweiler Bildnereien naturgemäß
zunächst bedenklich siimmen muß gegen eine Deutung aus dem vor—
hristlichen Vorstellungskreise. Aber Wannweil liegt in dieser aleman—
nischen Gegend, die uns in Tübingen (vgl. unten Abschn. 20), in Bieten⸗
hausen (vgl. Abschn. 20), in Dunningen (vgl. Abschn. 23) und anderweit
so vieles Vorchristliche bewahrt hat, daß auch für die Wannweiler
Bildnereien eine Deutung aus diesem Gedankenkreise nicht allzu
gewagt erscheint. Übrigens braucht ihr Urheber auch keineswegs
diesen vorchristlichen Vorstellungen noch innerlich angehangen zu
haben. Es kann vielmehr wie in Schwertsloch so gemeint sein,
daß die heidnischen Zauberknoten und der Kopf des Dämonen
gerade durch die Festnagelung in der Kirche, wo die Bösen keine
Hewalt haben, recht wirksam gebannt werden sollte.
10. Die heilige Kümmernis. (Die Kümmerniskapelle und
der Heidenstein bei Burghausen).
Di rätselhafte Gestalt des oder der heiligen Kümmernis weist
in gewissen Zügen auf alte deutsche Überlieferung. Daß sie
dem, der zu ihr betet, einen ihrer goldenen Schuhe hinwirft, ist
ein uralter deutscher Sagenzug, worauf schon Grimm hingewiesen
hat. Bernoulli (Heilige der Merowinger, 5. 75) will, wie schon vor
hm Rehorn (Germania, Bd. 32, 1887) den Donar in dem alten
Uümmernisbilde in Oberwintertur sehen, das er dem 8. oder 9. Jahr—
zundert zuschreibt, also einer sehr frühen Seit. Notz-Osterwald
Illustr. Zeitschr. 1876, 5. 291) will einen bildgeschichtlichen und
sprachgeschichtlichen Zusammenhang mit einem keltischen Merkur
aus Vindonissa (Windisch im Aargau) erkennen können. In Neu—
fahrn bei Freising ist die Hauptkirche der heiligen Kümmernis
Willgefortis, Liberata) geweiht. Es findet sich dort das hölzerne
Bild eines bekleideten, bärtigen Gekreuzigten, der aber nicht als
Christus sondern eben als die heilige Willgefortis, Kümmernis,
aufgefaßt wird. Auch dieses Werk wird, so von Dehio im deutschen
Denkmälerhandbuch, einer frühen ZFeit zugeschrieben, dem 12. Jahr—
hundert. In fünf Gemälden von 1527 ist die Auffindung dieses
alten Bildes, das auf der Isar angeschwemmt worden sei, ge—
schildert; mit einer Reihe von häufig wiederkehrenden Wundern;
daß aus dem Bilde Blut fließt, wo die Art des Zimmermannes