Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

128 Die heilige Kümmernis 
Wunders von dem Verdacht gereinigt wird, hat in Schwäbisch⸗ 
Smünd eine besondere Heimat; der Geiger von Gmünd. Gmünd 
ist überhaupt eine Fundgrube alten glaubensgeschichtlichen Stoffs; 
man denke an die Unholde und Gnomen und die dreifach 
dargestellte wilde Jagd an der Johanniskirche (vgl. unten); auch 
an das Felsenheiligtum der Salvatorkirche. „Ein fast mittelalter— 
liches Kirchenwesen blieb hier bis zum Ende der freien Reichsstadt“ 
schreibt Albert von Hofmann über Gmünd. 
Ein schönes aber verhältnismäßig spätes Kümmernisbild aus 
Holz besitzt die Universitätssammlung in Würzburg; ein früheres und 
rünstlerisch sehr gutes die Einhardskirche in Seligenstadt am 
Main. Es ist erneuert und zwar als Christus; also mit unbeschuhten 
füßen; aber die Füße sind nebeneinander angenaägelt, nicht übers 
Kreuz. Dies, sowie die richtige Krone, nicht Dornenkrone, die die 
gekreuzigte Gestalt trägt, beweisen, daß ein Bild der heiligen 
Kümmernis (Wilgefortis, CLiberata, Kummerana) gemeint war vom 
Künstler und nicht ein Christus.0) 
Der Sulzbacher Kalender für katholische Christen beschäftigt 
sich in den Jahrgängen 1804, 65, 67, 72 mit der heiligen Küm— 
mernis. In den späteren Jahrgängen wird die ursprünglich ab— 
zelehnte Erklärung angenommen, daß die ganze Legende durch 
ältere wegen ihrer Bekleidetheit nicht mehr als solche verstandene 
Lhristusbilder und durch das Vorbild des Bildes in Cucca mit 
dem Geiger zu Füßen entstanden sei. Dabei wird aber zugegeben 
Jahrg. 72), daß die Bilder der sogenannten heiligen Wilgefortis 
gar nichts an sich haben, was auf weibliches Geschlecht der am 
Kreuze hängenden Gestalt deutet; in Rankwil in Vorarlberg heißt 
die gekrönte und bekleidete Gestalt am Kreuz auch tatsächlich Sanc⸗— 
tus Kummernus. Auch der zweifellos germanische, anscheinend 
niederdeutsch⸗vlämische Name der heiligen Wilgefortis paßt schlecht 
zur Legende von der portugiesischen Köniqstochter 81) 
80) G. Schnürer, Freiburger Geschichtsblätter; der Kultus des Volto⸗Santo 
und der heiligen Wilgefortis in Freiburg i. U. 1902; die Kümmernis- und Volto— 
Santo-⸗Bilder in der Schweiz, 1903; bringt einige Abbildungen, aber nur zur Er— 
äuterung seiner Lehre, daß alle Kümmernisbilder in Deutschland vom Volto-Santo 
n Lucca abstammen, was sehr unwahrscheinlich ist. 
s) Die Legende ist dabei ja freilich oft von einer rührenden Kindlichkeit. „Die 
besondere Wundertätigkeit des heiligen Valentin für Epileptische beruht nur auf der 
Ahnlichkeit des Namens „Fallenthin“ mit der hinfallenden Krankheit“; Katholischer 
Kalender, Jahrgang 72. Wie vielleicht der heilige CTheonest, der auf einer Wein— 
kufe im Rheine von Mainz nach Kaub fährt und dort den Weinbau einführt aus 
den Dionysos und seiner Verehrung entstanden ist; der „Dimesser Ort“ bei Mainz, soll 
aach dem heiligen Theonest heißen; dort, an der Stelle des römischen Hafens, ist 
ein Bauptfundort römischer Altertümer.
	        
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