Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Die heilige Kümmernis 
bestandes an Kümmernisbildern einmal bessere Anhaltspunkte. Die 
Gestalt ist noch so völlig rätselhaft, daß man wohl auch einmal 
eine kühnere Vermutung wagen darf; wenn man sie nur ausdrück— 
lich als solche bezeichnet. Die antike Archäologie leistet sich noch 
ganz andere Kühnheiten. Aber freilich ist das keine Entschuldigung 
für uns. 
Wenn die amtliche Kirche Stücke ihrer eigenen Überlieferung 
bekämpft, wie die Kümmernisverehrung, wie die Verehrung der 
drei Jungfern Eimbett, Warbett, Willbett, so ist das ein fast 
sicheres Auzeichen dafür, daß da vorchristliche Dinge leben, die 
die Kirche jetzt zwar nicht mehr als solche offen nennt, die sie 
aber darum nicht weniger eifrig, wenn auch im stillen bekämpft; 
und wenn sie sich selbst mit dem Erfolg begnügt, daß die zu be— 
freiende Sonnenjungfrau als heilige Margarete bezeichnet wird 
beim Drachenstich zu Furth im Wald. Die katholische Kirche, in 
Luropa die älteste Einrichtung von ununterbrochenem Bestande, 
weiß, wie schon erwähnt, ganz genau Bescheid über dieses „Heiden⸗ 
thumb“ in ihrem Schoße. Also die zweifellos vorhandene Abneigung 
der kirchenamtlichen Stellen gegen den Kümmernisdienst spricht 
dafür, daß da etwas Dunkles, d. h. Vorchristliches, im Spiel ist. 
Die amtliche Erklärung, von dem nicht mehr verstandenen 
bekleideten Christusbild, hat noch, wie schon erwähnt, etwas weiteres 
gegen sich. Diese Darstellung verweist die Entstehung der Kümmer-⸗ 
nisverehrung in eine immerhin verhältnismäßig junge Seit. Das 
stimmt aber nicht mit der Art der Verehrung, die vielmehr auf 
sehr frühe Zeiten weist, besonders in der Art der Opfergaben. „Noch 
älter dürften die sogenannten Ceonhardsrösseln und eisernen 
Manndl‘ sein, welche in Rümmernis-, Wolfgang-, Oswald⸗ 
und Leonhardskapellen, auf Bergen oder Hügeln, an Bächen 
oder Brunnen, in Ober- und Niederbayern sowie in Osterreich 
geopfert werden“ (M. Höfler).**) 
Bei den Ruinen der Einsiedlerklause am Rudent (Ruothart) 
auf der bewaldeten Bürgelhöhe bei Kronberg im Taunus fand 
Ernst Bötticher im Sommer 1886 unter Dorngebüsch halb ver— 
sunken, zwei große herzförmige Platten aus rotem Quarzit, 130 cm 
s2) Böfler berichtet, an der oberen Mangfallbrücke bei Bad Aibling habe ein 
altes Kümmernisbild gestanden. Man sieht heute nur noch eine kleine leere Nische 
in einem Bildstöckel. dicht dabei findet sich aber, worauf Böfler ebenfalls hinweist, 
eine kreisrunde Anpflanzung von Bäumen; die Bäume sind nicht sehr alt, ersetzen 
aber sicher eine ältere äühnliche Anlage am Platz. Das neuzeitliche Denkmal zur 
Lrinnerung an die Abreise des Königs Otto von Griechenland hat nichts damit zu 
tun. Hier müßte man nach örtlichen Sagen und Gebräaͤuchen suchen, die sicher eine 
hesondete Weibebedeutung des Platzes ergeben würden.
	        
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