Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Der reitende Gott 
wiesen und die ganzen Jupiter-Gigantensäulen auf diese Anregung 
zurückführen wollen. Aber die Mainzer Säule zeigt lediglich einen 
stehenden Jupiter; und der Hinweis Hertleins, daß die Jupiter— 
Bigantengruppe ausnahmslos auf Säulen steht und daß diese Be— 
sonderheit unantik ist und daher eine einheimische Grundlage haben 
muß, ist einleuchtend. Und dieser Hinweis wird durch den Einwand 
sicher nicht widerlegt, daß auch das Altertum gelegentlich einmal 
ein Götterbild auf eine Säule stellte wie bei der Mainzer Jupiter— 
säule. Denn der Gigantenreiter mit der Canze ist in Hunderten von 
Stücken überliefert; er steht allemal auf einer Säule, und das Vor— 
kommen dieser Denkmalsart häuft sich in einem ganz bestimmten 
Gebiet nördlich der Alpen. Es spricht daher alles dafür, daß die 
zugrundeliegenden Vorstellungen einheimische sind, wenn auch, sehr 
begreiflich, die künstlerische Darstellung stark beeinflußt wurde von 
dem entwickelterem Handwerk der Römer. 
Den auf der Säule dargestellten nordischen Gott bestimmt zu 
bezeichnen ist natürlich schwierig. In der germanischen Götterwelt 
war ursprünglich und noch zur Zeit der Annahme der Wochenein— 
teilung, in der Ziu (Dienstag) vor Wodan (Wednesdag) und Donar 
Donnerstag) genannt wird, der mit dem gemein⸗arischen Wort 
Seus) bezeichnete Ziu (Tiu) der oberste und mächtigste Gott; er 
wurde in Deutschland erst später durch Wodan aus dieser Stellung 
verdrängt. Die verschiedenen Göttergestalten gehen, nachdem ein— 
mal die Spaltung in verschiedene Gestalten, für die verschiedenen 
Eigenschaften der ursprünglich einheitlichen Gottheit, eingetreten 
ist, durcheinander; bevor eine schriftliche Überlieferung der Glau— 
bensformen sie festlegt. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, 
daß die Deutungen des Gigantenbekämpfers auseinandergehen; 
Hettner deutet den Gigantenreiter als germanischen Gott; entweder 
„als Donar, oder, da Donar seinem ganzen Wesen nach ein fahren— 
der, mit Steinkeulen bewaffneter Gott sei, als den auf weißem Roß 
daherstürmenden, die Winterstürme bekämpfenden Wodan“ s6) 
s0) Die Erörterung der Frage nach dem Wesen der sogenannten Jupitergiganten— 
säulen ist durch Hertleins oben erwähntes Buch und durch neue Funde wieder sehr 
lebhaft geworden; Baug, Quilling haben sich erneut dazu geäußert. — Haug glaubt 
die Stiftung dieser Art Denkmäler genau auf die Zeit von 170 bis 246 nach Chr. 
bestimmen zu können. — Theodor Birt, die Germanen, 1917 5. 83, setzt ihre 
Entstehung später, in den Verlauf des 3. und 4. Jahrhunderts; nach Birt stellt der 
am Boden liegende Gigant den unterworfenen Germanen dar; daß er vielfach den 
Reiter und das Roß unterstützt, soll darauf bhinweisen, daß der unterworfene Ger— 
mane nun dem siegreichen römischen Kaiser dienen müsse, als Soldat. — Eine ganz 
neue Arbeit Hertleins schließt aus den besonderen Umständen der Errichtung, ins— 
besondere aus den KRalenderzeiten, auf das germanische Wesen des Denkmals; 
Mannus. Bd XIII.
	        
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