Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Deutsche Denkmälerforschung 
Sprache, Sitze und Eigenart festgehalten. Deshalb muß bei uns 
Volkssage und Volkssitte eine viel ergiebigere Quelle für die Alter— 
tumswissenschaft sein als bei den britisch⸗esächsischen und den gallisch— 
fränkischen Mischlingen. „Selten sind wir so günstig gestellt wie bei 
der deutschen Heldensage“, sagt der Schwede Martin P. Nilsson 
(Primitive Religion s. 110), wo er das Hineinragen geschichtlicher 
Vorgänge in Märchen und Sagen erörtert. 
Die vorwiegend auf schriftliche ÜUberlieferung und auf Sprach— 
wissenschaft gegründete Deutschkunde ist im wesentlichen von den 
Gebrüdern Grimm geschaffen. Auch für die deutsche Denkmäler— 
forschung kann man einen ganz bestimmten Namen nennen, als den 
ersten Bahnbrecher und Begründer, nämlich Cudwig Lindenschmit. 
Lindenschmit hat zuerst erkannt, daß die frühgermanischen Alter— 
tümer, aus der Seit der Völkerwanderung und aus merowingischer 
Zeit, von eingeborenen Werkmeistern hergestellt sind; er hat in seinen 
„Altertümern unserer heidnischen Vorzeit“ und in seiner Schöpfung, 
dem römisch⸗germanischen Zentralmuseum in Mainz, der vergleichen— 
den Denkmälerforschung, hier freilich nach dem Vorgang nordischer 
Gelehrter, einen Mittelpunkt geschaffen. „Cindenschmit der ältere ist 
gewissermaßen der Begründer der deutschen Archäologie“1) (Otto 
Piper, Bedenken zur Vorgeschichtsforschung s5. 145). 
Die deutsche Denkmälerforschung wäre also Hilfswissenschaft der 
deutschen Geistesgeschichte; wie die griechisch⸗römische Denkmäler— 
forschung Hilfswissenschaft ist für die Wissenschaft vom Geist des 
griechischzrömischen Altertums. So darf man jetzt wohl das Wort 
Philologie übersetzen. Nachdem sowohl die deutsche wie die alte 
Philologie aus ihrer früheren Enge herausgekommen sind oder 
herauszukommen im Begriff sind; aus der früheren Enge, in der 
sie sich nur als die Wissenschaft von den betreffenden Sprachdenk— 
mälern oder selbst noch enger als die Wissenschaft von den be— 
treffenden Sprachen betrachteten. 
Die stetige Erweiterung der Wissensgebiete sollte öfter, als es 
tatsächlich geschieht, dazu führen, daß die Fachabgrenzungen in der 
Wissenschaft einmal nachgeprüft werden. Der Vertreter der Reli— 
gionsgeschichte ist heutzutage von Haus aus meist Altsprachler. Daß 
er sich bei seiner Forschung vom Vertreter der alten Denkmäler— 
forschung und vom Sprachgeschichtler gelegentlich Auskunft holen 
muß, ist anerkannt. Denn es ist einerseits einfach nicht mehr möglich, 
) Verfasser dieses hat noch persönliche Erinnerung an den „alten“ Lindenschmit; 
mit seinem völlig weißen, aber in voller Haarfülle prangenden Feuerkopf; aus der 
Zeit als er, nämlich Verfasser dieses, bei Bestandsaufnahmen im rsmisch⸗germanischen 
Zentralmuseum in Mainz als Schüler helfen durfte
	        
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