Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Gnomen und KNobolde 
Wie spät die Vorstellung noch lebendig war, daß diese Gnomen 
and Gezwerge die abgesetzten Götter darstellen, beweist der um— 
stehende Zeus vom Sebaldusgrabe Peter Vischers. Dieser „mit 
Jammermiene dasitzende entthronte Zeus“ (P. J. Bée, Nürnberg, 
5. 109) steht sicher sowohl in der künstlerischen Handwerksüberliefe- 
cung wie in seinem geistigen Gehalt, noch in Zusammenhang mit 
jenen Gestalten, die rund drei Jahrhunderte früher an Gesimsen 
3. B. in Gmünd), Säulen (z. B. in Markt⸗Oberdorf), an Kirchtür— 
gewänden (z. B. in Neuweiler im Elsaß,“ꝰ) in Biburg bei Abensberg 
in Niederbayern) ihr Wesen trieben; wenn auch der vom griechisch⸗ 
römischen Altertum berührte Künstler ihn Zeus benennt. 
An der sehr bemerkenswerten und gut erhaltenen Benediktiner— 
kirche in Biburg aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts waren 
die Unholde und Fratzenwesen mit Augensternen aus Erz versehen; 
an einigen sind sie noch erhalten. Auch die als heilige Kunigunde 
zurecht gemachte Gaugöttin am Pfeiler der Kapelle bei Burgerroth 
(vgl. Abschnitt 23) hat eingesetzte Augen. 
In Wölchingen, in Baden, Kreis Mosbach, hocken an den Gie— 
beln des Querschiffs, wo die Dachschräge beginnt, Fratzenkobolde, die 
das Dach mit den Armen stützen. Der Bau, Johanniterkirche, stammt 
nach Dehio aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts. 
Diese Unholde mit zu großen Köpfen, mit langen Bärten, die an 
den Gesimsen der Heiligen Geist-Kirche in Gmünd und in Markt— 
oberdorf und sonst vielfach in Stein gebannt sind, leben unmittelbar 
weiter in den Gnomen und Robolden viel späterer Zeiten. Die 
Zwerge, die auf Moritz von Schwinds Bild in der Ceipziger Samm— 
lung dem Ritter von Falkenstein in einer Nacht den Reitweg gebahnt 
haben auf das steilgelegene Schloß seiner Geliebten, sind unmittel— 
bare Nachkommen jener unförmigen, kleinwüchsigen herabgewür— 
digten Gestalten, in denen die Kirche die alten Götter und ihre über— 
wundene, aber immer noch etwas gefürchtete Macht nun ins Lächer— 
liche zu ziehen suchte. Moritz von Schwind verwendet als Wappen 
der Melusine an ihrem geheimnisvollen Turm eine Gestalt, die viel— 
fach auf mittelalterlichen Bildnereien vorkommt; nämlich die Wasser— 
frau, die ihre in Fischleiber endigenden Beine mit den Händen nach 
oben hält. Es wird von Schwind folgende Geschichte erzählt: Als 
jemand zu ihm sagte „Ja glauben Sie denn an diese Nixen und 
Elfen ?“ — da habe er ganz ernst geantwortet „Ja glauben Sie denn 
etwa nicht daran?“. 
) Das Neuweiler Männlein — an der Klosterkirche, nicht an der Adolphikirche — 
ist besonders kennzeichnend; wie es im Gewände des abgetreppten Kirchentors sozusagen 
festgenagelt ist, sichtlich höchst unglücklich. Ich kann unter den jetzigen Verbältnissen 
keine gute Abbildung bekommen.
	        
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