Deutsche Denkmälerforschung
daß ein und derselbe Mensch alle Fächer fachmännisch beherrscht;
andrerseits ist die Welt der Erscheinungen nicht so reinlich und nett
in Fächer aufgeteilt, wie es die Wissenschaft wohl wünschen möchte.
Für die Deutschwissenschaft oder die besondere Wissenschaft von
der deutschen Menschheitsform und von ihrem geistig-sittlichen Voll—
bringen ist an sich, was der herrschenden Facheinteilung entspricht,
wohl die Kenntnis des deutschen Schrifttums zunächst das wichtigste.
Sicherlich ist das der der Forschung am leichtesten zugängliche Stoff,
weil er der großen Masse nach gedruckt und in jeder Bücherei greif—
bar vorliegt. Hier ist die Aufgabe schon im wesentlichen auf das
Sichten und Durcharbeiten des vorhandenen Stoffs beschränkt; nur
in geringerem Maße handelt es sich noch um das Auffinden und
Sammeln von neuem Stoff. An Wichtigkeit für die Deutschwissen—
schaft kommt der schriftlichen Überlieferung aber fast gleich die
lebende Überlieferung in Sitten, Sagen und Gebräuchen des Volks,
vor allem des niederen Volks.
Auch die Familien des alten Adels hegen vielfach sehr alte und
deshalb für die Altertumswissenschaft wichtige Überlieferungen. Unter
altem Adel ist hier zu verstehen der hohe Adel; das sind die Reichs—
unmittelbaren und Fürsten; und die uradeligen (nicht briefgeadelten)
Geschlechter des niederen Adels: die ja zum Teil, wie die Grafen
Preysing, älter als irgendein deutsches Fürstenhaus sind; zum Teil
auch reiner von Blut als die Fürsten, die die Nachkommen einer
lettischen Dirne oder napoleonischer Marschälle beliebiger Abstam—
mung sofort als ebenbürtig ansehen, wenn sie nur irgendwie, einerlei
auf welchem Wegq, einmal zu einer regierenden Stellung gelangt sind.
Es kann auf den ersten Blick auffällig erscheinen und ist doch
unschwer zu erklären, warum grade die oberste Schicht und die un—
teren Schichten — das heißt von diesen die bodenständigen Schich—
ten, natürlich nicht der Handarbeiter des Großgewerbes — unseres
Volks deutscher und altertümlicher geblieben sind als die mittleren
und beweglicheren Bevölkerungsteile. Jene beiden Stände stehen
fester in der Überlieferung als die bewegliche Mittelschicht. Und beide
haben sich, von ihrer noch mehr naturalwirtschaftlichen Grundlage
aus, wirksamer gewehrt gegen das eine der beiden Schwergeschütze
des mittelmeerischen semitisierenden Einflusses; gegen das römische
Recht, das vermöge seines geldwirtschaftlichen Zuschnitts ebenso be—
greiflicherweise der städtischen Bevölkerung willkommen sein mußte.
Das sogenannte Privatfürstenrecht, das sind die Rechtsgewohn—
heiten und Satzungen der landesherrlichen Familien, ist eine Fund—
grube alter deutschrechtlicher Vorstellungen. Auch die Bauerschaften