Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Deutsche Denkmälerforschung 
haben sich vielfach wie die Fürsten die römische Vergabungsfreiheit 
oom Leibe gehalten und sind in der durch den Blutsverband gegebenen 
Bindung der Erbfolge und der Bevorzugung des Ältesten verharrt. 
Von den mittelmeerländisch-semitisierenden Bestandteilen der Kir— 
henlehre konnte der Bauer aber schon um deswillen freier bleiben, 
weil er eben überhaupt mehr in der mündlichen Überlieferung lebt. 
Seine lebendigen Gewissensüberzeugungen und Glaubenshoffnungen 
sind daher nicht in dem Maße wie bei den sogenannten Gebildeten, 
das heißt den vorwiegend auf die Aufnahme schriftlicher Geistesnah— 
rung Eingestellten, von der Schrift und der amtlichen Kirchenlehre 
beeinflußt worden. Der Theologe Paul Gottfried Drews hat seiner— 
zeit bemerkenswerte Untersuchungen angestellt darüber, daß der wirk— 
lich lebende Glaube einer Volksgruppe keineswegs übereinzustimmen 
braucht mit der amtlichen Kirchenlehre, auch wenn die Bauern sich 
mit ihrem gelehrten Pfarrer an sich ganz gut vertragen. Es ist 
übrigens im Recht nicht anders. In gewissen Gegenden Nieder— 
hessens ist Majoratserbfolge tatsächlich die Regel; bloß durch Fa— 
miliensinn und Überlieferung, die den jüngeren Sohn ächten würde, 
der auf seinen gesetzlichen Erbteil — es wird vielfach nicht einmal 
durch Testament gemacht sondern durch spätere freiwillige Verein— 
barung der Erbberechtigten — oder auf seinen gesetzlichen Pflichtteil, 
gegen ein den Ältesten zum Alleinerben einsetzendes Testament, klagen 
würde. 
Wie schon oben gesagt, hat erst ganz neuerdings die sogenannte 
Volkskunde (Folklore) den ungeheuren Stoff, der im Volksmunde und 
in Volkssitten steckt, zu sammeln und zu verarbeiten begonnen. Hier 
ist noch viel zu tun und noch manche Entdeckung zu machen. 
Die Kenntnis der Denkmäler aber, oder der sogenannten Real— 
altertümer, — im allgemeinsten Sinne, in dem sie alle unmittelbar 
noch bestehende Hinterlassenschaft der Vorzeit umfaßt, also etwa im 
Sinne von Heinrich Bergners Handbüchern der kirchlichen und bür— 
gerlichen Uunstaltertümer, wenn wir die Beschränkung auf Kunst- 
altertümer dabei fallen lassen, — ist jedenfalls an dritter Stelle, 
nämlich hinter der Schrifttumsgeschichte und der Volkskunde, wichtig 
für die geistesgeschichtliche Forschung; wichtiger als die eigentliche 
Sprachgeschichte, die noch regelmäßig als die besondere Fachausbil- 
dung des Germanisten oder Vertreters der Deutschwissenschaft be— 
trachtet wird. 
Sprachvergleicher, wie Bartholomae und Andere, glauben 
daraus, daß gewisse Worte wie 3. B. Buche, Aal, Cachs gemein— 
indogermanisch sind, also schon dem Urvolke angehört haben müs— 
sen, und daß Buche, Aal, Cachs gemeinsam nur in Mitteleuropa
	        
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