Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Die ritterlichen Heiligen 
amrissene geschichtliche Gestalten sind, ist die Geschichte des syrischen 
Georg in ihrer späteren Gestalt völlig fabelhafte Legende. In bezug 
auf das vermutliche geschichtliche Urbild sagt der englische Ge— 
schichtsschreiber Gibbon verwundert: „So wurde mit der Zeit der 
ehrlose Georg von Kappadozien zum ritterlichen Georg von Eng⸗ 
land.“ Mun; vielleicht kehrt England jetzt nach der Kriegführung 
von 1914 bis 1918 oder vielmehr bis derzeit 1921 zum „unritterlichen“ 
Georg als seinem Schutzheiligen zurück.) Man brauchte Heiligen- 
gestalten, die mehr den alten Vorstellungen von heldenhaften Göt— 
tern entsprachen. Man brauchte sie, um die Werbekraft des neuen 
Glaubens zu stärken. Besonders in diesen alemannischen Gegenden 
war sicherlich die alte Überlieferung und der Gegensatz gegen die 
neue Lehre noch sehr stark. Er wurde gestützt durch den völkischen 
Gegensatz gegen die erobernden Franken, die die neue Lehre gebracht 
hatten. 
Im Dom zu Regensburg stehen die beiden Reiterheiligen Georg 
und Martin zusammen; von einem trefflichen Künstler gotischer Zeit 
gebildet; beide zu Pferd, jugendlich reisig, in ritterlicher Tracht 
Abbildung bei Berthold Riehl, Das bayerische Donautal). Georg 
ist freilich nicht ganz zweifelsfrei als solcher gekennzeichnet. Nach 
von Hofmann, Historischer Reisebegleiter für Deutschland, stellt die 
Gruppe der beiden Reiter die Heiligen Mauritius und Martin dar. 
Mauritius war auch Soldat, Offizier bei der thebaischen Cegion, 
und gehört auch zu den kriegerischen Heiligen. 
Der hl. Georg soll (nach Karl Albrecht Bernoulli, Die Hei— 
ligen der Merowinger s. 158) deutliche Züge, ja selbst den Namen 
oor Mithras tragen, der im 4. Jahrhundert in Gallien und am 
Khein verehrt wurde, während im 5. Jahrhundert sich die ersten 
Spuren des Georgs-Kults daselbst nachweisen ließen. Oskar Paret 
chreibt, Urgeschichte Württembergs s. 136: „Beide Religionen (Chri— 
stentum und Mithrasdienst) waren recht ähnlich, und beide wandten 
sich vor allem an die unteren Volksklassen. Um so schwerer war der 
Kampf der beiden um die Herrschaft.“ Später „verlor St. Georg die 
Spuren seiner Herkunft von einem orientalischen Gott vollständig 
und ging ganz in germanischen Vorstellungen auf. Der englische 
Georg hat nichts mehr von Mithras an sich; er hat sich zum Wodan 
verwandelt. Das will heißen, er ist hier wie dort wirklich heimisch 
geworden. Im merowingischen Frankenreich dagegen hat er sich nur 
auf der Durchreise aufgehalten.“ 
Merkwürdigerweise trägt allerdings ein sehr frühes Denkmal 
des Drachenkämpfers Sankt Georg eine deutsche Umschrift, nämlich
	        
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