Die ritterlichen Heiligen
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die aus dem 9. Jahrhundert stammende (7) Erztür einer alten grie⸗
chischen Kirche in Ronstantinopel, der Kirche im Balatquartier:
Georgius mit Heldenmuth
den giftig Drachen toden thut.106)
Diese Tür ist wohl auf griechische Bestellung gearbeitet.
Berthold Riehl, St. Michael und St. Georg in der bildenden
Kunst 5. 37 schreibt: „Georg, dessen Fest ja auf den 24. April fällt,
ist der Frühlingsheld, der den Winter bekämpft und die durch ihn
gefesselte Vegetation aus ihren Banden befreit .. ., der sich vor allem
dem Siegfried und dem Wuotan anschloß.“
Der hl. Michael aber, der kriegerische Erzengel, entspricht nicht
nur wie die anderen Reiterheiligen als Streiter und Kämpfer den
germanischen Vorstellungen. Er ist an sehr vielen Stellen der un—
mittelbare Nachfolger der alten Götter geworden. „Die vielen
Michaelsberge in Deutschland waren alte Kultstätten Wodans“ (vgl.
unten Abschnitt 17; ferner Georg Grupp, Kulturgeschichte des Mittel—
alters 5. 16).
„Das Mittelalter kennt keinen heidnischeren Mpthus, als diesen
des Feldherrn der himmlischen Heerscharen, der zugleich Beschützer
und Anführer der Völker ist, der im Gewitter daherfährt“; wie
Wodan; „St. Michael empfängt die Seelen als Engelsfürst auf dem
Schlachtfelde“ (Gothein, Die Rulturentwicklung Süditaliens 5. 58);
wie Wodan die gefallenen Helden empfängt.
„Dem doppelten Bedürfnis, einen besonderen kriegerischen
Schutz zu besitzen und ihn in den Erscheinungen der Natur ver—
nehmen zu können, kam die Sage vom Erzengel Michael durchaus
entgegen. Sie leistete dasselbe besser, was bisher der Glaube an
Wodan und Donar geleistet hatte. .. Auf manch altem Opferberg
mag der hl. Michael der Nachfolger eines Heidengottes geworden
ein“ (Gothein a. a. O. 5. 95).
Vgl. auch Franz Xaver Kraus, Geschichte der christlichen Kunst
B8d. J 5. 4355: „Fahlreiche auf Höhen und Vorgebirgen angelegte
Heiligtümer der heidnischen Vorzeit sind im CLaufe der Zeit in dem
Heiligen geweihte Stellen umgewandelt worden.“
oc) Hermann Barth, Ronstantinopel. S. 122. Ich entnehme die Nachricht
dem ebengenannten Werk. Die deutsche Inschrift müßte demnach später erneuert
ein. Neuntes Jahrhundert klingt ja auch etwas merkwuͤrdig; die Blüte der deutschen
Erzgießerei beginnt doch erst am Ende des zehnten Jahrhunderts, soweit wir wissen;
im Anfang des elften Jahrhunderts wurden die Türen für San Zeno in Verona,
für die Kirchen von Gnefen und Nowqorod in niedersächsischen Gießhäütten hergestellt.