Deutsche Denkmälerforschung
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ungefähr westlich der Linie Königsberg-Odessa und ungefähr östlich
der Cinie Dünkirchen-Genua vorkommen, Schlüsse ziehen zu können
auf die indogermanische Urheimat. Das würde ja nun eine äußerst
vichtige Bereicherung der Urgeschichte von der Sprachgeschichte her
bedeuten. Daß Victor Hehn bei seinen kulturgeschichtlichen For—
schungen über Kulturpflanzen und Haustiere die Sprachgeschichte
übermäßig und einseitig bewertet hat, ist heute wohl anerkannt.
Jakob Grimm hat einen deutschen Gott Froh rein sprachge—
schichtlich aus dem nordischen Freyr erschlossen. Das war sehr
ühn, wenn man dagegen hält, wie die anderen deutschen Götter
bezeugt sind, durch schriftliche Quellen, nämlich die Geschichtsschrei—
ber und die kirchliche Bekämpfung; durch Denkmäler (vgl. Ab—
schnitt 5, 6, 28) und selbst durch das Weiterleben im heutigen Volks—
aberglauben, bis auf den Namen (vgl. unten Abschnitt 18).
Otto Seeck hat in seinem Untergang der antiken Welt den
Gesittungsstand der alten Germanen geschildert. Er hat dazu als
Quellen fast nur die schriftlichen Berichte der alten Schriftsteller
benutzt. Was uns davon erhalten ist, findet im wesentlichen Platz
in einem handlichen Bändchen der von den Herausgebern der
Monumenta Germaniae veranstalteten Sammlung: Geschichtsschrei—
ber der deutschen Vorzeit.
Seeck hat ein sehr ungünstiges Bild von der Gesittung und der
Geistesart der alten Germanen entworfen. Dieses Bild ist ohne
jeden Zweifel falsch. Die wichtigsten Dinge des Ackerbaues, des
holzbaues, die Kleidung werden in unserer Sprache mit Wörtern
von germanischem Wortstamm bezeichnet; im Gegensatz z. B. zu
Obst⸗ und Weinbau, außer dem Apfel, die von uns heute noch
mit den lateinischen Ausdrücken benannt werden. Das beweist,
daß jene Werkzeuge der Gesittung, vor allem das wichtigste,
der Ackerbau, bei den Deutschen schon vorhanden waren, ehe die
römische Welt mit dem Norden in Berührung kam. Daß die
Deutschen schon in der Zeit der großen Völkerwanderungen
selbst die Metalle zu bearbeiten verstanden, ist sicher; ungeprüft
vorläufig, woher sie es gelernt haben. Was haben die Griechen
und Römer von den älteren ägyptischen und mesopotamischen Ge—
sittungsformen gelernt, die nebenbei bemerkt unvergleichlich viel
älter waren im Verhältnis zur hellenistischen Kultur als diese im
Hergleich zur unseren. Daß in noch früherer Zeit schon der Norden
die Erzarbeit selbständig ausgeübt hat, ist jetzt, durch die Funde von
Gußformen, BHerstellungsorten, durch Cagerfunde erwiesen.?)
2)) In der Stettiner Sammlung befindet sich ein Stück, das nichts anderes sein
kann als der Musterkoffer eines Geschäftsreisenden der Erzzeit, um diesen Ausdruck