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Der Lanzenschwinger und Seelenführer
bis Mannheim, das man bisher zum Dekumatenlande und von
der gleichen Bevölkerung wie dieses besetzt hielt, vielmehr echte
Germanen, Neckarsueben, gewohnt haben, ein Teil des großen
völkerstamms, welcher noch im ersten Jahrhundert unserer Zeit—
rechnung den größeren Teil Germaniens inne hatte“. Drei von
Helm, Germanische Religionsgeschichte, als germanisch angesprochene
Widmungssteine sind auf dem Heiligenberg gefunden (Helm a. a. O.
5. 356, 358).
Daß so häufig frühchristliche Kirchen auf Bergeshöhen, fern
oon der Siedelung, also äußerst unzweckmäßig und schwer zu er—
reichen von der nächsten Siedelung, gegründet werden, muß seine
Ursache in vorchristlichen Vorstellungen haben; da die christen⸗
kirchliche Lehre, die nicht, wie andere Glaubensformen, etwa auf
dem Berge der Gottheit näher zu sein glaubt, an sich nicht den
leisesten Anlaß hat zu dieser offenbaren Unzweckmäßigkeit. Man
darf sich also ruhig den Worten anschließen, die ein so vorsichtiger
Forscher wie J. M. Heer, Ein karolingischer Missionskatechismus,
5. 29, ausspricht: „Die Verehrung der Götter auf heiligen Berges
höhen ist echt germanisch, wie die „Donnarsberge“ durch Ger—
manien hin beweisen, und es ist bekannt, daß der Brocken im Harz,
der Merkur bei Baden und viele der nunmehr mit christlichen
Uapellen gekrönten Höhen wie die Michelsberge uff. altgermanische
Kultstätten waren“; heißt es doch ausdrücklich in der CLebens—
beschreibung des heiligen Martin: „wo er ein Heiligtum der
Abgötter zerstört hatte, baute er sofort daselbst eine Kirche oder
ein Kloster“.os)
Im Sabergäu, etwas westlich vom Einfluß der Zaber in den
Neckar, erhebt sich auf der Südseite des Tales, unweit Bracken⸗
heim, der Michaelsberg. Auf seiner Spitze steht eine Kapelle sehr
alter Gründung; nach Gradmann, Kunstwanderungen in Württem—
berg und Hohenzollern, 5. 77, stand dort schon 793 eine Rirche.
Es war später ein Kapuzinerhospiz oben. Die Kirche ist noch in
Gebrauch. Ein katholischer Pfarrer sitzt ganz einsam oben; nur
mit einem Diener; er kann keine Kanonika finden, weil kein weib—
liches Wesen die Einsamkeit dort oben aushält. Die Umgegend ist
evangelisch; die Pfarrkinder des katholischen Priesters auf dem
Michaelsberg leben ganz vereinzelt in weitem Umkreis. Aber die
katholische Kirche hält diese Stelle fest; sie mutet ihrem Diener
dieses entsagungsvolle Ceben zu, um die Überlieferung katholischen
ioo) Die Michelskirchen auf den Michelsbergen bei Untergrombach, Kr. Bruchsal,
und bei Gundelsheim am Neckar verdienten eine Untersuchung nach dieser Richtung.
Der erstgenannte war eine vorgeschichtliche Wohnstätte.