Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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stellen muß. Daß diese Zeichen auch daneben häufig als reine Sier— 
form verwendet werden und ohne daß man noch an ihre Bedeutung 
als Heilszeichen denkt, wird selbstverständlich dadurch nicht aus— 
geschlossen. 
Unter den bei Ülzen gefundenen Gegenständen 118), in der Samm— 
lung in Fulda beispielsweise, und noch vielfach anderwärts finden 
sich die bekannten Schmucknadeln, die die verschiedenen Sinnbilder 
der Sonne, das vierspeichige Rad, die umeinander gezogenen Kreise, 
die in Schlangenwindung aufgerollte Cinie und den Stern aufweisen. 
Was man von den Steinbildern an der Tübinger Spitalkirche 
als aufgerollte Seile bezeichnet, sind — an der Hand des unzwei— 
deutigen Vildes mit den zwei erhobenen Händen dürfen wir uns 
über diese nach Stoff und Ausführung zweifellos mit jenem zusammen— 
gehörigen Steine so bestimmt aussprechen — Bilder des Sonnen— 
laufs; des Caufs der Sonne, die für den nordischen Menschen, dem 
auch Mitternacht eine Himmelsrichtung bezeichnet nach 
dem Stand der Sonne, — nicht nur Sonnenaufgang und Untergang 
und Höchststand, — in Windungen sich höher schraubt im Früh— 
ling und herunterschraubt im Herbst (Willy Pastor). 
Zu Bietenhausen, württembergisches Oberamt Haigerloch, in 
einem Seitentälchen des oberen Neckartals zwischen Tübingen und 
Rottweil findet sich an der Kirche St. Agatha ein merkwürdiges 
Flachbild in Stein. Die Zeit ist schwer zu bestimmen. In der künst— 
lerischen Ausführung steht es am nächsten der Gruppe von flachen 
Steinbildhauereien, die man (Clemen, vgl. unten Abschnitt 23) 
als karolingisch anspricht; wie die von Sauerschwabenheim, Ingel— 
heim, Bierstadt (ich füge hinzu: Bietenhausen, Dunningen; vgl. die— 
sen und den übernächsten Abschnitt). Der Künstler arbeitet nämlich 
nur mit zwei Flächen, d. h. die bildlichen Darstellungen sind lediglich 
aus dem Grunde herausgestochen und heben sich in einer einzigen 
Fläche vom Untergrunde ab. Für die Darstellungen selbst (vgl. das 
nebenstehende Bild) läßt sich eine Deutung aus dem christlichen 
Sagenkreis nicht finden. Zwei große Untiere stehen gegeneinander 
gekehrt; sie ähneln am meisten Wölfen; sie sind umgeben von Dar— 
stellungen mehrzackiger Sterne in Kreisen, Darstellungen, die durch— 
aus übereinstimmen mit der oben erwähnten auf der Murrhardter 
Bogenfüllung. Das große Steinbild in Bietenhausen war für seine 
Zeit (sehr alt ist es bestimmt, auch wenn es nicht karolingisch sein 
sollte) sicherlich etwas besonderes, mit dem man besondere Absichten 
hatte, und nicht lediglich zieren wollte. Man empfand auch in 
Sonnenverehrung 
118) Pal. Beidnische Altertümer der Gegend von Ülzen, 1846, Tafel 8.
	        
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