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späterer Zeit noch das fremdartige und unchristliche des Steinbilds;
es ist nämlich am Rundbogen eine Inschrift angebracht, die nur den
Zweck haben kann, das Alter und die eigentliche Deutung des Stein—
bilds zu verschleiern. Die Buchstaben der Inschrift deuten auf späte
Zeit, etwa 17. Jahrhundert. Obwohl die einzelnen Worte — pecca-—
tor, vir, femina — lesbar sind, ergibt die Inschrift keinen Sinn. Wir
lernten oben an dem Beispiel aus Gengenbach kennen, daß die
Kirche die vorchristlichen Unterlagen, die im Volksglauben und selbst
im kirchlichen Brauch noch leben, genauer kennt als sie nach außen
kundgibt. Sie kämpft nur heute mehr im Stillen gegen diese Dinge,
Abh. 82. Stulptur an der Kirche zu Bietenhausen im ssiörzelbachtal.
als daß sie sie offen bezeichnet; wie sie mußte, als ihr Sieg noch nicht
entschieden war. Daß die vorchristlichen Vorstellungen noch heute in
zanz ähnlicher, ja gleicher Weise, im Volke fortleben wie vor tau—
send Jahren, wird aus den Ausführungen dieses Buches vielfach
erhellen.
Die von Gustav Kossinna, Oskar Montelius, Ernst Krause, So—
phus Müller und anderen gesammelten Sonnenbilder, um den
gleichen Mittelpunkt gelagerte Kreise, Sterne, Räder, Hakenkreuze
usw. sind meist sogenannte vorgeschichtliche; daher ist ihre zeitliche
Festlegung unsicher. Die Zeit der hier gebrachten Sonnenbilder ist
zwar auch nicht ganz genau bestimmbar. Aber man bewegt sich mit
ihnen doch immerhin auf sehr viel festerem Boden. Das Murr—
hardter Steinbild stammt nach der offenbar gleichzeitigen Umrah—
mung etwa aus der späteren Staufenzeit. Das Flachbild von Bieten⸗—
hausen halte ich für merowingisch oder karlingisch. Das wichtigste,
das Tübinger Flachbild, wage ich allerdings nicht zeitlich festzulegen.
Daß in dieser Gegend Steinbildhauerei auftritt, bietet vielleicht einen
entfernten Anhaltspunkt, da die Germanen „kein mauerndes, son—