Sonnenverehrung
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licher Zeit und in sehr bestimmter Form bezeugt. Bekannt ist die Stelle
aus Cäsars Gallischem Krieg, Bd. 6 Kap. 21, daß die Germanen
Sonne und Mond verehrt hätten. Wir nennen heute noch den ersten
und zweiten Wochentag nach der Sonne und dem Mond; erst nach
diesen kommen die drei oberen Götter in der Wochenbenennung:
der Tag des Siu, Dienstag; der Wodanstag, englisch Wednesday,
heute bei uns zum farblosen Mittwoch geworden; und der Donnerstag.
Noch die Merseburger Zaubersprüche sprechen von Phol, Wo—
dan, Balder und Sunna.
Phol und Wodan
fuhren zu Holze;
Da ward dem Balderes Fohlen
der Fuß verrenket
Da besprach ihn Sindgund,
Sunna ihre Schwester.
Die angelsächsische Homilie des Abtes Älfric (um 1000) „von
den falschen Göttern“ schreibt: „sie griffen da zu der Weisheit, daß
sie als ihren Göttern dienten der Sonne und dem Mond, wegen
ihres strahlenden Glanzes, und ihnen Gaben opferten, und ihren
Schöpfer verließen“ (Kaspari, Martin von Braccaras de cor—
rectione rusticorum. Nach Kaspari schöpfte Älfric aus dieser Schrift
des 6. Jahrhunderts). Die Sonne, ihr Fernsein im Winter, ihr
Wiederkehren im Frühling mußte notwendig die Gedanken des Nord—
länders beschäftigen und seine Einbildungskraft anregen. Der Kampf
der Sonne, von der alles Leben abhängt, mit der eisigen Finsternis,
die den Tod bedeutet, beherrscht einen umfangreichen Sagenkreis.
Diese Sagen verwachsen später mit geschichtlichen Kämpfen und
deren Erinnerung im Volke. Man hat wahrscheinlich gemacht, daß
in den Liedern von Siegfried diese Natursage zugrunde liegt;
der siegreiche Frühlingskampf der Sonne in dem Siegfried, der den
Drachen schlug; der sieglose Herbstkampf, aber zugleich auch der
Untergang geschichtlicher Gestalten, des Arminius oder des Bur—
zunderprinzen, der der Sohn König Siegmunds war (Alb. v. Hof—
mann), in dem Siegfried, der erschlagen wird. „Beowulfs Drachen⸗
kampf ist schon dem Ausgang nach ein Herbstkampf; nur in dem
Herbstkampf unterliegen die Götter“ (Simrock a. a. O. 5. 230), wäb⸗
rend sie im Frühlingskampfe siegen.
Warum sollten wenige Jahrhunderte, nachdem der Judengott
mit den Waffen des Franken in diese alemannischen Gaue eingezogen
war, alemannische Eigenköpfe nicht noch zur Sonne gebetet haben,
deren Gunst oder Ungunst ihnen doch an ihren Feldern, Äckern und
Wiesen so deutlich fühlbar und wirksam wurde. Es kann leicht sein,