Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

AUreuz und Sonnenrad 
2ad 
Der Türsturz von Rüssingen im pfälzischen Museum in Speper 
(Abb. 22 5. 105) steht dem Pforzheimer Bogenfeld nahe. Auch auf 
ihm überwiegen die unholden Sinnbilder. Auch auf ihm finden sich 
die Zauberknoten. 
Daß die ursprünglich unholden Zeichen später zu freundlichen 
werden, ja daß das zu bestimmten Zeiten noch durcheinander geht, 
bildet, wie mehrfad hervorzuheben war, keinen Einwand gegen 
die hier vertretene Deutung. Das ist vielmehr geradezu ein Gesetz 
der glaubensgeschichtlichen Entwicklung. Die Glaubenströstungen 
Abb. 91. Bogenfeld von der Altstädter Kirche in Pforzheim; Lichtbild von W. Kratt, Karlsruhe. 
der Menschen und ihre Sinnbilder sitzen so fest in der Seele des 
Volks, daß eine neue Glaubensform häufig, wenn sie die alten 
Formen nicht vertreiben kann, was sie meist zunächst versucht, 
nichts anderes tun kann, als die alten Formen zu übernehmen und 
nur äußerlich für sich einzukleiden. Die Kirche hat ursprünglich 
das Abbrennen von Kerzen zu gottesdienstlichen Zwecken bekämpft; 
es ist auch zweifellos ein Rückstand vorchristlicher Feuerverehrung. 
Später hat sie es geduldet und schließlich gefördert. Früher verbot 
die Kirche, hölzerne oder wächserne Glieder in den Kirchen zu 
opfern. Heute duldet sie es. Die christliche Kirche bestrafte noch 
ums Jahr 1000 den Hexenwahn; die spätere, römische Kirche be— 
stärkt ihn, besonders durch die Bulle von 1484, mit der Einsetzung 
der Hexengerichte für Deutschland. 
Die Kampfesart der Kirche gegenüber den Resten vorchrist⸗ 
lichen Glaubens war eben taktisch bestimmt und daher nicht ein— 
heitlich. An der einen Stelle benutzte sie die bestehende Ehrfurcht
	        
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