29
Deutsche Denkmälerforschung
tieferen Sindruck auf die Gemüter gemacht haben muß als jene ver—
hältnismäßig minder bedeutsamen Umstände, von denen in den dort
berichteten Fällen der Volksmund noch nach vielen Jahrhunderten
einen wahrheitsgetreuen Bericht aufbewabhrt hat.
Auch die Meinung, die das Schlachtfeld des Varus in die Gegend
von Barenau und Bramsche verlegt, stützt sich auf Funde; nämlich auf
die zahlreichen Münzen aus augusteischer Seit, die bei Barenau am
großen Moor gefunden worden sind.
Diese Meinung und ihre Begründung ist nun in diesem Zu⸗
sammenhang, nämlich für die Bedeutung fachmännischer Denkmäler⸗
kenntnis, besonders lehrreich. Denn hier hat zwar der Geschichts⸗
forscher einmal auf Denkmälerforschung aufgebaut. Aber die Be—
autzung der vorhandenen „Kealaltertümer“ war nicht fachmännisch,
archäologisch, genug. Die bisherige Vernachlässigung der Denk⸗
mälerforschung hat sich in diesem Falle gerächt. Theodor Mommsen
dat aus den Barenauer Funden augusteischer Münzen zu rasch seine
Schlüsse gezogen. H. Veltmann (vgl. E. Wilisch a. a. O. 5. 345) hat das
nachgewiesen; insbesondere durch den Hinweis auf andere noch um⸗
fangreichere ähnliche Münzfunde, u. a. bei Ratibor in Oberschlesien,
wo von einem römischen Heer nicht die Rede sein kann. Auf jeden
Fall aber ist die Beweiskraft der Barenauer Münzfunde für die
Varusfrage aufgehoben durch die westfälischen Münzfunde von 1907
und 1909.8)9)
Mommsen scheint sich die Ortlichkeit in Barenau nicht selber an—
gesehen zu haben und erklärt es für „Kindertraum oder Kinder⸗
spiel“, nach Varuslagern zu suchen; er kann aber selber seine sehr
scharf vorgetragene Meinung — er spricht von „orthodoren Varus⸗
) Vgl. Henke und Lehmann, Die neueren Forschungen über die Varus-
schlacht. Gütersloh 19 10.
o) Auf Wollin, an der vermutlichen Stelle der alten slavischen Handelsstadt Julin,
vat man in Masse arabische Münzen gefunden. Das sei hier erwähnt, nicht in
nmittelbarem Zusammenhang mit dem obigen Meinungskampf Veltmanns gegen
Nommsen, sondern als ein weiteres Beispiel fuͤr die geschichtliche Unterlage von Sagen.
Die Sage von der ins Meer versunkenen Handelsstadt Vineta enthält die geschichtliche
Zrinnerung an die alte slavische Handelsstadt Julin und vielleicht damit verschmolzen
die Erinnerung an die in noch erhaltenen Heldenliedern verherrlichten Kämpfe um
die dort gelegene Jomsburg der Wikinger. Bewahrt der Zug der Brünhildsage von
dem gläsernen Wall und dem Feuerzauber, der die Walküre umhegt, die geschichtliche
Zrinnerung an die alten Stätten der Feuer- und Sonnenverehrung und an ihre durch
Feuer zu Schlacke verhärteten Böschungen (Willy Pastor, Germanische Monumental⸗
kunst) ). Die Hetschburg, die Otterndurg in Chüringen sind an den Wällen ver—⸗
schlackt; vgl. G. Ebe, Der deutsche Cicerone, Archilektur Bd. J, 8. 7. Auf der
Kegensburg⸗Salzburger Anthropologenversammlung von 1881 berichtete Schaaffhausen
aüber verglaste Wälle in der Nahegegend und an anderen Orten; vgl. Bonner
Jahrbücher Beft 72, 8. 178