Deutsche Denkmälerforschung
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gläubigen“, von „verdrießlichen Ortsgelehrten“ — über die Schlacht
hei Barenau fast nur auf archäologische Beweise aufbauen; er be—
herrschte eben nur nicht genügend, wie Veltmann zeigt, den vor—
handenen Denkmälerbestand. Mommsen sprach im Tone des In—
habers der Lehrgewalt, deren dreifache Krone er ja damals für die
alte Geschichte sozusagen trug.
Unfehlbarkeitston ist aber in wissenschaftlichen Dingen immer
falsch. Selbstverständlich kann einer nicht alles beherrschen; aber die
Wissenschaft der Denkmälerforschung muß sich eben als Fachwissen—
schaft mit ihren besonderen Verfahrensarten durchsetzen.
Es verstieß durchaus gegen deren notwendige Grundlagen,
wenn Mommsen, wie jene Äußerungen deutlich machen, nicht viel
hält vom örtlichen Augenschein, von der Arbeit des Spaten; und vor
allem, wenn er die „Ortsgelehrten“ entbehren zu können glaubt.
Wohl hat in der Frage der Varusschlacht die Heimatliebe mancher
Schriftsteller, die grade eben in ihrem Kirchspiel unbedingt den
Schlachtort finden wollten, eine zuweilen geradezu kindliche Rolle
gespielt. Aber: ohne Ortsgelehrte ist die Arbeit der Denkmäler⸗
forschung und -Sammlung nicht zu leisten; denn diese erfordert nun
einmal einen ganz anderen Aufwand an Zeit, an Kosten usw. als die
Durchforschung der längst vollzählig in handlicher Form gedruckten
wenig zahlreichen Schriftquellen über die Varusschlacht. Das kann
einer bequem in seinem Arbeitszimmer machen; die Übersicht über
den vorhandenen Denkmälerbestand dagegen nicht, weil diese zer—
streut sind, weil man sie nicht aus Büchern allein zusammenbekommen
kann. Dazu braucht man die Mithilfe vieler Einzelarbeiter und daher
der „Ortsgelehrten“.
Daß die Frage des Varusschlachtfeldes nur durch die Denkmäler⸗
forschung gelöst werden kann, kann man mit Bestimmtheit sagen,10)
wenn man auch diese Lösung selbst heute noch nicht mit Bestimmtheit
geben kann. Sagengeschichtliche Überlieferung und die Funde treffen
Iber zusammen für die Hülsenbecksche Meinung, daß die Vernichtung
0) So auch mit gutem Grund Schuchhardt zu einer neuen Meinung über den
Schauplatz der Barusschlacht, die Langewiesche-BVünde auf der Bückeburger Tagung
des nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung 1920, vortrug. —
Selbstverständlich ist auch die Denkmälerforschung, wenn sie auch sich an greif—
bare Dinge zu halten durch ihr Wesen gezwungen ist, nicht vor den allzukühnen
Konjektuͤren“ der Sprach⸗ und Schrifttumsforscher sicher. In den Bonner Jahr⸗
büchern, Heft 121, 1917, zieht Adolf Schulten daraus, daß ein einzelner römischer
Bleibarren von 13 kg Gewicht 40 Kmöstlich von Oberraden, als dem bisher nach
anserem Wissen östlichsten Punkt einer festen römischen Niederlassung gefunden worden
ist, den Schluß, daß in der Nähe des gefundenen Bleibarreus, bei Soest, auch eine
sbiche feste NRiederlassung gewesen sein müsse; denn dieser Bleibarren „sei kein den
Sermanen willkommenet Und deshälb weit verschleppbarer Gebrauchsgegenstand“.