Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Heidenkirchlein 
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später gebildet hat und lediglich dadurch, daß man die Tiere für 
Wolfe hielt. Einem Grafen der Gegend sei ein Kind von Wölfen 
zerrissen worden und er habe zum Andenken dieses Steinbild gestiftet. 
Diese Erzählung ist sicherlich umgekehrt erst aus dem Steinbild ent— 
standen und nicht das Steinbild aus Anlaß dieses Ereignisses. Denn 
zum Andenken an den Tod eines Menschen durch Wölfe errichtet man 
nicht den Tieren, die diesen Tod verursacht haben, ein lebensgroßes 
Bild. Die Augsburger heilige Radegunde, die mit Wölfen zu tun 
hat, kommt hier nicht in Frage. Auch St. Simpert, der ebenfalls 
einen Wolf führt, ist hier, soweit ich weiß, nicht bekannt. In den 
Zwischenräumen der Platte sind eine Reihe von Kreisen und Sternen 
dargestellt, die meines Erachtens als Sinnbilder der Sonne aufzu⸗ 
fassen sind (vgl. oben). 
Der Dunninger Stein hat, wie die Abbildung zeigt, als Schluß— 
stück über einer Bogenöffnung gesessen. Diese Bogenöffnung kann 
aber nur ganz schmal gewesen sein; es kann keine Tür gewesen sein, 
sondern nur ein schmaler Fensterschlitz. Im fränkischen Museum in 
Würzburg und im Museum in Wiesbaden finden sich zwei ganz 
ähnliche Steine, die, ebenfalls unten mit einer schmalen Ausbuchtung 
in ungefährer Halbkreisform versehen, den oberen Abschluß einer 
Maueröffnung gebildet haben müssen. Der Würzburger, und wenn 
ich mich recht erinnere, auch der Wiesbadener Stein, sind mit wenig 
vertieften, bloß zweiflächigen Verzierungen in halberhabener Meißel⸗ 
arbeit von sehr urtümlicher Art versehen; in jener an Holzarbeit 
gemahnenden Werkkunst, die wir als sehr früh, als merowingisch 
oder karolingisch ansprechen dürfen. E. Bronner hebt bei Be— 
sprechung des Geisenheimer Steins in Wiesbaden Massau. Annalen, 
2. Band 1915) hervor, wie stark die Bearbeitung jenes Steins die 
Gewohnheit der Holzbearbeitung erkennen lasse; in der Zweiflächig⸗ 
keit, in den scharfen Schnittflächen. Bronner vergleicht den Geisen— 
heimer Stein, in dem er die älteste deutsche Darstellung der Kreuzi— 
zung sieht, mit dem fränkischen Grabstein aus Niederdollendorf in 
Bonn und setzt diesen in die Mitte des 7. Jahrhunderts. Dieser ist 
freilich sicher noch vorchristlich. Ich glaube, man kann aus jener 
bogenförmigen Offnung etwas weiteres schließen für die Zeitbestim— 
mung dieser Denkmäler. Werklich könnten diese als deckende obere 
Abschlüsse einer Offnung in der Mauer gedachten Werkstücke ebenso⸗ 
zut gerade abschließen; denn der Stein muß dabei doch als bloßer 
Balken tragen; das heißt ohne die erst durch den Keilschnitt ermög⸗ 
lichte Ausnutzung der Festigkeit des Steins gegen Druck deshalb muß 
die zu deckende Offnung so schmal sein. Die zwecklose Ausbuchtung 
— als Lastverminderung kommt sie nicht in Frage, dazu ist sie zu un—
	        
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