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Heidenkirchlein
Ermordung Siegfrieds auf Anstiften Brunhilds; die Verbindung
des Nibelungenlieds mit der burgundischen Geschichte, insbesondere
mit der Vernichtung des Burgunderstaats am Mittelrhein durch die
Hunnen, steht ja fest. Die Weihung der Kapelle in Oberwittich—
hausen an diesen Heiligen ist auffällig. Man (bad. Denkmälerwerk
a. a. O.) vermutet, daß dieser Schutzheilige erst später hier an die
Stelle eines früher vorhandenen anderen Heiligen getreten ist;
um so mehr, da in einem Ablaßbrief von 1285 eine dem heiligen
Nikolaus geweihte Kirche in Oberwittichhausen erwähnt wird, und
da der heilige Siegismund erst in einer erheblich späteren Zeit,
nämlich als Karl IV. das Haupt des heiligen Siegismund nach
Böhmen überführen ließ, zeitgemäß und beliebt wurde. Die
Weihung auf den heiligen Nikolaus ist sehr viel wahrscheinlicher
bei einer offensichtlich recht alten Rultstätte; vielfach wählen frühe
Uirchengründungen diesen Schutzheiligen. Der heilige Nikolaus ver—
wächst dann bekanntlich sehr stark mit vorchristlichen Vorstellungen;
er wird in dieser mittelrheinischen Gegend das, was anderswo der
Knecht Rupprecht ist; der kurz vor der Wintersonnenwende und«
der Zeit der zwölf Weihenächte Gaben und Prügel verteilt. Die
starke Verknüpfung des Heiligen mit vorchristlichen Vorstellungen
war wahrscheinlich auch der Grund, warum die Kirche den neu—
aufkommenden Modeheiligen vorzog, der frei von diesen Belastun—
gen war; wie noch am Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Berge
bei Gengenbach im Schwarzwald (vgl. oben Abschnitt 19) die stark
heidenverdächtige Heilige Embett durch Peter und Anna ersetzt
wird; wie auf der Höhe bei Burgerroth (vgl. sofort unten) die
zerade heilig gesprochene Kaiserin Kunigunde benutzt wird, um
die an dieser Stelle alteinheimischen heidnischen Dämonen, hier
vahrscheinlich eine weibliche Göttin, zu verdrängen. In Ober—
wittichhausen hat die Gestalt rechts an der durch ein lisenenartiges
Band eingerahmten Mauerfläche über dem Türbogen einen langen
gedrehten Stab in der Hand und eine einer Bischofsmütze sehr
ähnliche Kopfbedeckung mit einer halbmondförmigen Spitze; sie
sieht also immerhin, trotz mancher Auffälligkeiten, einem Bischof,
d. h. dem heiligen Nikolaus. Bischof von Myra, ähnlicher als
einem König.
Die Überlieferung, daß die Kapelle von Oberwittich—
hausen an Stelle einer vorchristlichen Verehrungsstätte steht, ist
sicher zutreffend. Die Kapelle liegt abseits der Ortschaft auf der
höhe; in einem ummauerten Bezirk. Daraus allein ist nun zwar
hier nicht etwa, wie in Wurmlingen oder für das Peterskirchlein
bei Brannenburg im Oberinntal, besonderes zu folgern, weil die