Heidenkirchlein
Kapelle immerhin, im Gegensatz zu dem eben erwähnten Kirchlein,
von der Ortschaft doch noch leicht zu erreichen ist. Aber die viel
erörterten und schwierig zu deutenden Bildhauereien des Tors
ceden eine deutlichere Sprache. Rechts vom Tor, in der
Wand, sitzt — und zwar anscheinend noch in der ursprünglichen
Lage, im Gegensatz zu den bei der Erneuerung nach dem Dreißig⸗
jährigen Krieg versetzten Wölbungssteinen — ein Teufelchen, das
mit einer Kette um den Hals an einen Baumstamm gefesselt ist;
es hält seinerseits ein sehr viel kleineres bärtiges Männlein an
der Kehle. Dieses Teufelchen stellt sicher den vorher an dieser
Stelle heimischen Dämon, d. h. den hier früher verehrten Heiden⸗
gott, dar; der nun so gebannt, unschädlich gemacht und der all—
zemeinen Verachtung preisgegeben ist. Ohne einen besonderen
Grund, nämlich daß der zum Teufel gewordene Heidengott hier
vorher umging, hätte man den Teufel nicht an die Wand gemalt.
Und die auf den Bogenfeldern dargestellten rätselhaften Gebilde
haben alle denselben Sinn; nämlich die Abwehr der früher hier
heimischen bösen Geister, die nun gebannt und unschädlich gemacht
sind dadurch, daß man ihr Bild und damit sie selbst an die Außen⸗
mauer der Kirche gefesselt hat. Daß darüber auch christliche Ge⸗
stalten an der Kirche gebildet sind, ist nicht auffallend, sondern
durchaus gewöhnlich. Man vergleiche die Darstellung an der
Südseite der Johanniskirche in Gmünd; vgl. oben Abb. 69.
Auch hier, in Oberwittichhausen, hat der Rünstler den Heiligen
feierlich und steif, das Teufelchen dagegen verhältnismäßig lebendig
und gut beobachtet gestaltet; entsprechend wie an der Johannis-
kirche in Gmünd die kirchlich feierliche und sehr hölzerne Mutter⸗
gottes oben im Gegensatz steht zu den gut beobachteten Hunden
der wilden Jagd darunter.
Die Wölbung des Türbogens in Oberwittichhausen zeigt von
links, vom Beschauer aus, auf dem zweiten Stein einen Flügel⸗
drachen; auf dem dritten Flammensinnbilder (77); auf dem vierten
ein merkwürdiges, mehrfach hintereinander gefetztes Zeichen; es
hat sicher eine Zauberbedeutung und der Zauber soll auf diese
Weise gebrochen werden. Es ist dabei etwas verändert, weil man
sich noch scheut, es unverändert zu gebrauchen und so am Ende
den Dämon und die Sauberwirkung gerade herbeizurufen. Man
könnte an ein Blitzzeichen oder an die Sigirune denken; auf Donar
den Blitzschleuderer deuten ja auch die Riesen der Ortssage. Der
fünfte Stein, zu oberst, enthält einen geflügelten Teufelskopf; der
sechste einen ungeflügelten Lindwurm; das vorletzte Feld rechts
stellt eine Baumanbetung durch einen Hirsch dar; der Hirsch