290
Heidenkirchlein
Zeit die beiden Steinbilder als unheimlich empfand und sie durch
den sehr gezwungen darauf gesetzten Heiligenkopf und durch die
Einmeißelung der lateinischen Umschrift auf den alten Stein zu
oerchristlichen suchte; ebenso wie man dem sicher vorchristlichen
Bogenfeld mit den Untieren und den
Sonnenzeichen in Bietenhausen und
dem an der Murrhardter Walderichs⸗
kirche eingemauerten Türsturz mit
dem Sonnenzeichen und dem Heiden—
oriester durch die später hinzugefüg—
ten, absichtlich rätselhaft gehaltenen
lateinischen Umschriften einen kirch—
ichen Anstrich zu geben versuchte
vgl. oben 5. 227, 223).
Das Dorf Langenstein bei Kirch-⸗
zain in Hessen wurde oben in ande—
rem Zusammenhang erwähnt; dort
teht an der Kirchhofmauer (vgl. oben
Abschnitt 6) der aufgerichtete Stein,
nach dem der Ort seinen Namen
hat und der eine Grenze oder eine
Gerichtsstätte bezeichnet. An der
Uirche nun, die innerhalb des so aus—
gezeichneten Steinberings steht, fin—
den sich an der Westseite die neben—
stehend wiedergegebenen Bildhaue—
reien. Sie sind im Gegensatz zu man—
hen anderen in diesem Buch be—
prochenen Steinbildern offenbar
zleichzeitig mit der Kirche entstanden,
ilso in verhältnismäßig später, goti—
scher Zeit; das darunter befindliche
Wappen, der Stern von ZFiegenhain
(D), gibt einen weiteren zeitlichen An—
haltspunkt. Trotzdem, nämlich trotz
der verhältnismäßig späten Ent—
stehung, wollen die Bildhauereien, die Fratze, — zwei weitere an der
Nordwestecke — die beiden Untiere, der Mann mit Wanderstab, Leib—
rock und Bart, etwas christenfeindliches darstellen; unholde Mächte,
Dämonen, die so an der Außenwand der Kirche im Bilde dingfest
gemacht und an weiterer Wirksamkeit und am Eintritt in die
Kirche verhindert werden sollen. Der Mann mit Vollbart, Wander—
ä
4
Abb. 119. Von der Kirche zu Langenstein
bei Kirchhain (Hessen).
Zeichnung von Prof. Otto Ubbelohde.