Das Männliche
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Völkern des Südens und des Orients, die das Weib für minderwert
oder gar für seelenlos und unrein erachten, sicherlich völlig unbe—
greifliche Sache. In der heiligen Dreiheit, Vater, Mutter und Sohn,
reichen Vater und Sohn der Mütterlichkeit die höchste Krone; vgl.
den wundervollen Holzschnitt von Dürer. Das ist sehr nordisch emp⸗
funden und widerspricht durchaus der hellenistisch⸗semitischen, oder
mittelmeerischen Geringschätzung des Weibes. Die Marienverehrung
der katholischen Kirche hat deshalb wahrscheinlich tiefe und in ferne
Vergangenheit zurückreichende Grundlagen in der deutschen Volks⸗
seele. Die Hingabe der Mutter an die Brut ist die Urform aller Hilfe
für ein Mitwesen; aller Menschenliebe. Die menschliche Familie ist
arsprünglich mutterrechtlich geordnet, d. h. nur nach der mütter—
lichen Verwandtschaft bestimmt. Die Familie ist aber die Grundlage
aller höheren Formen menschlichen Zusammenlebens und damit
alles dessen, was wir unter den Menschen als sittliches CLeben an—
sprechen können. Man könnte kein geeigneteres Zeichen finden, um
das höchste Menschliche, nämlich Hingabe, Opfersinn, zu bezeichnen,
als dieses, das nun tatsächlich als die Heilandsmutter das meist ver—
breitete Denkmal in der Christenheit ist.
Daß der Kelte geschlechtlich reizbarer ist als der Germane, ist
sicher. Vgl. Heinrich Rückert, Kulturgeschichte des deutschen Volks
in der Zeit des Ubergangs aus dem Heidentum in das Christentum,
Teilll, 5. I71ff. Im Wesen des heutigen Franzosen prägt sich das ja
noch sehr deutlich aus. Der Franzose der Jetztzeit hat die herr—
schenden Züge ja weder vom Lateiner, dessen Sprache er annahm,
noch vom Franken, dessen staatliche und wirtschaftliche CLebensform
bis 1789 die herrschende war, sondern vom Kelten, Gallier. Und
diese Art ist, nach dem Urteil der maßgebendsten Beurteiler, wie
Voltaire, Gobineau, sehr zäh und ausdauernd.
Gerade diese Verschiedenheit zwischen Germanen und Kelten,
im Geschlechtlichen und in der Stellung der Frau, berichten ja schon
die ältesten Berichterstatter. Cäsar berichtet von den britischen Kel⸗
ten, sie hätten noch in Weibergemeinschaft gelebt; was für diese ver—
hältnismäßig späte Zeit so auffallend ist, daß man lieber die Zuver—
lässigkeit eines sonst so verläßlichen Beobachters wie Cäsar be—
zweifelt hat (E. Windisch, Das keltische Britannien, 5 12). 101)
Führer zu Verhandlungen in sein Lager; dort ließ er sie sämtlich niedermachen und
vernichtete in sofort darauffolgendem Angriff ihr führerlos gewordenes Volk. Cäsar
kannte genau die Überlegenheit der Deutschen im offenen Käampf; das soll einer der
Gründe gewesen sein warum er eine monarchenähnliche Stellung erstrebte Cato
beantragte übrigens damals im Senat, man solle Cäsar wegen der an den Usipetern
und Tenkteren begangenen Völkerrechtswidrigkeit diesen ausliefern.
isth E. Windisch, Das keltische Britannien, SarGo6; „ . . . Auch diese Blut⸗
schande — zwischen Vater und Tochter — könnte zur dunklen Seite der altkeltischen
Sittlichkeit gehören, die bei Cäsar ihren Ausdruck gefunden hat.“