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Sage und Sitte
Eine alte Moorbrücke westlich Leer in Ostfriesland, aber auf
holländischem Gebiet, hieß im Volksmunde die „Romeinsche Brugg“.
Sie galt den Gelehrten als mittelalterlich; neuerlich ist sehr wahr—
cheinlich geworden, daß sie ein römischer Bohlenweg aus der Zeit
des Germanikus ist (vgl. A. Wilms, Der Hauptfeldzug des Ger—
mnanikus, 5. 74); also auch hier war die Volksmeinung zutreffend.
Die mündliche Überlieferung des Volks, Gebräuche und Sitten,
sind sehr viel verläßlichere geschichtliche Quellen, als man lange
Zeit annahm. Gebräuche überdauern vielfach sehr lange die
steinernen und erzenen Zeugnisse. Märkte und Feste haften an
bestimmten Stellen, auch wenn die Ansiedelung oder die kirch—
liche Stätte, die den Markt entstehen ließ, längst spurlos verschollen
ist. „An einer ganzen Reihe von Rastellplätzen, die heute und seit
langer Zeit völlig verlassen liegen, sind im Mittelalter und bis in
die neuere Zeit, ja beim Kastell Altenburg-Heftrich im Taunus bis
zum heutigen Tage, Märkte für eine ganze Reihe diesseits und
jenseits des CLimes gelegener Dörfer abgehalten worden“ (Georg
Wolff, Frankfurt in vor⸗ und frühgeschichtlicher Zeit, S. 103.
Ich erinnere an den oben, in Abschnitt 2, erwähnten Jahrmarkt in
Keferlohe bei München, der offenbar ebenfalls in sehr frübe Feiten
zurückweist.
Auch die Ackergrenzen könnte man in diesem Zusammenhang
erwähnen, die, wie Meitzen nachgewiesen hat, in manchen Gegen—
den, z. B. bei Friedberg in der Wetterau, noch deutlich die Linien
der römischen Landmesser erkennen lassen oder bis vor kurzem er—
kennen ließen; denn die Feldbereinigung oder Güterzusammen—
legung wird in einiger Zeit nun endgültig diese Spur zerstören.
In einem archäologischen Bericht, siehe Seemannsche Kunst⸗
chronik, Jahrg. 1919 auf 1920, 5. 876, wird aus dem vorrsmischen
England berichtet, daß in den englischen Domesdayboks der
sächsische Königsfrieden auf die gleiche Entfernung von der
Stadt Silchester festgelegt wurde, die die römische Verwaltungs—
einteilung von der vorher bestehenden keltischen Nieder—
assung übernommen hatte. „Die gallischen Transitzölle der vor—
cömischen Periode lebten ebenfalls in gewissen, den Kirchen zu—
fallenden Zöllen, fort, die den fremden, die Stadt betretenden Kauf—
leuten abgenommen wurden.“
Alexander von Peez glaubt in der merkwürdigen und uralten
Pferdezucht des Sennegebiets am Teutoburgerwald ein altes ger—
manisches Gestüt von heiligen, zunächst für die Tempelzwecke ge—
haltenen Rosse erkennen zu können.