Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Die heraldische Lilie 
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„Am Rarsamstag morgen weiht die katholische Kirche das 
Feuer. Jedenfalls ist dieser Brauch entstanden im Anschluß an die 
schon vor Einführung des Christentums um die Osterzeit üblichen 
Feuer“ (E. Fehrle, Deutsche Feste und Volksbräuche; vgl. auch Joh. 
Nep. Sepp, Die Religion der alten Deutschen und ihr Fortbestand, 
Abschnitt 48; Karsamstag und die Feuererneuerung). 
„Die ewige Campe in unseren Kirchen, die Stellung des christ— 
lichen Altars nach Osten, so daß der opfernde Priester dem Sonnen⸗ 
aufgang zugewendet ist; das sind alte Überlieferungen“ (Bonner 
Jabrbücher, 1888, 5. 849). 
„Das leuchtende, wärmende, brennende Feuer erkannte schon 
der ursprüngliche Mensch als der Sonne wesensverwandt ..., ent⸗ 
flammt man ein Feuer in rechter Art, zu rechter Zeit, dann hilft man 
damit dem Feuer da droben, der Sonne“ (Professor von Schröder, 
Die Religion des arischen Urvolks, Vortrag 1906 auf der Haupt- 
versammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine, Kor—⸗ 
respondenzblatt des Gesamtvereins, 1907, Nr. 5 und 6).166) 
An einer sehr wichtigen Stelle des religiösen Einzellebens steht 
aber heute noch im katholischen Kultus eine Kerze, nämlich die 
sogenannte Römer- oder Sterbekerze, die in der Todesstunde brennen 
soll. Das Sterben ist, kann man sagen, die ursprünglichste Stelle, wo 
das Glaubens- und Trostbedürfnis brennend wird; das eigene Ster— 
ben; die Furcht vor dem Unbekannten. Die Furcht hat die Götter 
— 
Furcht so geschickt und unbedenklich als Machtmittel verwendet 
— „wird das auch standhalten vor der brennenden Sterbekerze“ —, 
hat kein Recht, dem Cukrez die Einseitigkeit und die Unterschätzung 
des Menschen vorzuwerfen, die in jenem Ausspruch liegt. Der Ge— 
danke an das eigene Sterben und das miterlebte Sterben eines Mit— 
menschen stellen die dringende Frage, die zu beantworten unmittel— 
bare Beobachtungen nicht ausreichen; die Frage nach dem Verbleib 
dieses bisher mit diesem Körperlichen anscheinend untrennbar ver— 
bunden gewesenen seelischen Etwas. Traum und Tod stellen die 
philosophische Frage; die Frage nach dem Verhältnis des Bewußt-— 
seins oder des Denkens zum räumlichen Wirken und Sein. 
Weil an dieser Stelle das Glaubensbedürfnis und das 
philosophische Bedürfnis — beide sind im tiefsten verwandt 
106) Das heilige Feuer der Vestalinnen, wie die ewige Lampe der katholischen 
Kirche sind die letzten Zeugen eines Kultus, der sich auf die Feuererzeugung als 
eine heilige Handlung gründet, die überall in den Händen der Priester lag“. Dries— 
manns, Der Mensch der Urzeit; ich führe an nach Herrmann Muchau, Pfahl⸗ 
hausbau und Griechentempel.
	        
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